Coco - Ausbildung zur 0
kannst es nicht verfehlen.“ Er lächelte kurz, dann nahm er sein Telefonat wieder auf.
18
Coco, die es noch seltsamer fand, dass er sie so abfertigte, als die Tatsache, dass ihn jemand mit einem Adelstitel ansprach, nahm ihre Tasche und stieg die Holztreppe hinauf. Bei jedem ihrer Schritte ächzte es lautstark unter ihren Füßen, und sie war froh, dass das gute Stück durchhielt, bis sie oben angekommen war. Coco orientierte sich in dem schmalen Flur. Mehrere Türen darin führten in die anliegenden Zimmer. Coco hielt sich an die Richtungsanweisung und begab sich nach links. Sie fand das Zimmer, öffnete die Tür und hielt den Atem an.
Genau gegenüber der Tür befand sich ein bodenhohes Fenster mit Flügeltüren, das einen faszinierenden Blick auf einen beleuchteten Garten bot, der sich dahinter ausbreitete. Ihr glitt die Tasche aus den Händen, als sie langsam auf das Fenster zuging und es öffnete. Die kleine Balustrade davor bot genau so viel Platz, dass man sich an den Rahmen lehnen konnte, um sich von diesem zauberhaften Anblick berauschen zu lassen, ohne Gefahr zu laufen, hinunterzustürzen. Genau wie im Garten des Schlosses waren auch hier die Büsche zu Figuren geschnitten und gestutzt worden. Jetzt in der Dunkelheit waren Scheinwerfer darauf gerichtet, die die Figuren mit ihrem Lichtschein aus der Nachtschwärze herausholten. Wie eine kleine Armee aus Strauchsoldaten standen die Gestalten entlang eines Weges. Wo dieser endete, konnte Coco nicht mehr erkennen. Aber es schien, als wäre da eine Wand aus Bäumen, die den Weg an seinem weiteren Fortkommen hindern würde.
Nur ungern löste Coco sich von dem Anblick, doch auch ihr Zimmer war es wert, einer genaueren Betrachtung unterzogen zu werden. Sie bückte sich, hob ihre Tasche auf und sah sich um. Zu ihrer Linken fand sie eine Holzvertäfelung, die jedoch fehl am Platze wirkte und den restlichen Raum schief wirken ließ. „Damit beschäftigst du dich später“, dachte sie und stellte ihre Tasche auf dem Bett zu ihrer Rechten ab. Dieses Zimmer wirkte wesentlich größer, als es war, und ihr geschulter Blick sagte ihr, dass es nicht nur die perspektivisch angeordneten Möbel sein konnten, die diesen Effekt hervorriefen. Leicht irritiert suchte sie sich einen Weg zwischen Bett und Schrank und fand in einer Nische ein Badezimmer, das nicht nur vollkommen fehl am Platz zu sein schien, sondern obendrein auch noch viel zu groß wirkte.
Kopfschüttelnd ging Coco zu der Holzvertäfelung zurück, blieb davor stehen und schob die Hände in die Hosentasche. „Da stimmt was nicht“, schoss es ihr durch den Kopf. Sie trat näher an die Vertäfelung, und mit einer Hand begann sie, diese leicht abzuklopfen. Es klang hohl, nicht nach einer massiven Wand. Plötzlich sprang eine Tür aus ihrer Verankerung. Coco erschrak etwas, lachte dann lautlos über ihre Schreckhaftigkeit und drückte die Tür auf.
Der Raum dahinter war genauso beleuchtet wir ihr Zimmer, und nun, nach einer kurzen Untersuchung der Vertäfelung von der anderen Seite, ahnte Coco, dass ihr Schlafraum nicht nur mit diesem geheimnisvollen Zimmer verbunden war, sondern dass sie zusammengehörten.
„Deshalb scheint hier alles verzerrt“, sagte sie leise in den Raum hinein, „die Vertäfelung ist nachträglich eingebaut worden.“
Sie steckte nun vollends ihren Kopf durch die kleine Tür und schaute sich um. Warum trennte man einen separaten Raum so aufwendig vom anderen ab? Bisher ergab das keinen Sinn. Mutig geworden, betrat sie die Räumlichkeit. Die Art der Möbel, die darin standen, hatte sie schon einmal gesehen – genauer gesagt, vor nicht allzu langer Zeit gesehen. Wie vom Donner gerührt blieb sie in der Mitte des Zimmers stehen und betrachtete die Gegenstände. Dort drüben am Fenster stand ein Bock, dessen Fläche so mit dicken Lederkissen ausgestattet war, dass man darauf knien konnte. Daneben eine Vitrine, und von ihrer Position aus konnte Coco sehen, dass darin – beinahe liebevoll – einige Stöcke und Peitschen feinsäuberlich aufgereiht lagen. An der Wand links von ihr war ein tiefschwarzes Andreaskreuz angebracht. Der Inhalt einer weiteren Vitrine verschloss sich ihr.
Coco zitterte vor Aufregung. In ihr stieg das Gefühl auf, dass sie nicht hier sein sollte. Nicht in diesem Raum. Nicht in diesem Haus und auch nicht mehr in diesem Leben. Sie ging zurück und setzte sich aufs Bett, stützte ihr Gesicht in ihre Hände und seufzte. Wo war verdammt noch mal ihr ruhiges und
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