Coco - Ausbildung zur 0
Xavier zur Antwort. „Irgendwann haben meine Leute es an den Staat verkauft, und jetzt ist es ein Museum.“ Coco riss vor Erstaunen die Augen auf.
„Du – ein Schlossbesitzer? Niemals!“ Xavier lachte.
„Jetzt nicht mehr“, erwiderte er. Er hielt kurz an, damit Coco in Ruhe den Anblick genießen konnte.
„Und da fahren wir hin?“, fragte sie immer noch atemlos.
„Nein, du wirst dich leider mit dem etwas weniger pompösen Gesindehaus zufriedengeben müssen.“ Auf seinem Gesicht zeigte sich tiefes, aber amüsiertes Bedauern. Xavier legte den Gang ein und fuhr weiter. Kurz bevor die kleine Straße das Schloss erreichte, gabelte sie sich, und Xavier schlug den Weg nach rechts ein. Ihre Fahrt führte nun durch weite Felder, auf denen Sonnenblumen und Mais wuchsen. Mannshoch standen die Pflanzen bereits, und die Straße, die nun ein Feldweg war, war nur schwer zu erkennen.
„Gesindehaus?“ Coco lachte leise. „Ein wenig kenne ich mich in der Geschichte der Loire aus“, begann sie, „und wenn das da oben das Haupthaus war, dann ist das Gesindehaus sicherlich keine Fischerhütte.“
Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Das Haus war in grauem Backstein in der für diese Gegend typischen Bauweise errichtet. An den Ecken waren hellere Steine verbaut, und somit bekamen diese Gebäude ein rustikales Erscheinungsbild. Der breite Eingang wurde von einem Hof gekrönt, der mit grauen Kieselsteinen ausgelegt war und dessen Mitte ein kleiner Springbrunnen zierte. Fuhr man an diesem Anwesen vorbei, verschwand man samt Weg wieder zwischen Feldern.
Xavier hielt, und sie stiegen aus. Während er das Gepäck aus dem Kofferraum holte, streckte sich Coco und sah sich um. Sie hatte sich nicht geirrt: Dieses Haus war genau das, was sie erwartet hatte. Betrachtete man die Geschichte dieser Bauten als Ganzes, so war verständlich, warum das Gesindehaus so üppig ausfiel. Schließlich musste das ganze Personal, das für die Pflege des Anwesens zuständig war, irgendwo untergebracht werden. In den heutigen Tagen, in denen Schloss und Gesindehaus ihre Bedeutung voneinander getrennt hatten, wäre das Haus, vor dem Coco nun stand, auf dem Immobilienmarkt ein begehrtes Stück. Viele Städter suchten sich gerade diese Häuser als Wochenendresidenzen aus. Diese Gebäude hatten Stil, waren so groß wie eine Villa, und der Hauch der Geschichte durchflutete die Räume. Und als hätte der jetzige Besitzer die gleichen Gedanken gehabt wie Coco in diesem Moment, hing über dem gemauerten Eingang ein Holzschild mit der Aufschrift „Villa Maupassant“.
Die Eingangstür öffnete sich, und eine ältere Dame tauchte auf, die ein historisches Kleid trug. Als sie Xavier erkannte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, sie breitete die Arme aus und kam den Besuchern freudestrahlend entgegen.
„Comte Ledoux!“, rief sie, und schon war Xavier von ihr in Beschlag genommen. Sie drückte und herzte ihn, dass er sie lachend von sich schob.
„Margerite, schön, Sie wiederzusehen!“ Er bückte sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Coco stand abseits, und die Verwunderung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Xavier – ein Comte? Nicht zu fassen! Erst das Schlösschen, dann diese Villa hier und jetzt der Titel. Wusste sie wirklich so viel über ihn? In den letzten Minuten war sie sich nicht mehr sicher.
„Entschuldigen Sie meinen Aufzug, Comte, aber ich musste heute die letzten Führungen oben leiten und bin gerade erst zurückgekommen.“ Sie trat einen Schritt zurück, sah an sich herunter und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Nun schien sie endlich Notiz von Coco zu nehmen, ging auf sie zu und begrüßte sie beinahe ebenso überschwenglich, wie sie es bei Xavier getan hatte. Doch bevor dieser dazu kam, seine Begleiterin vorzustellen, war Margerite bereits wieder im Haus verschwunden, nicht ohne ein üppiges Abendessen anzukündigen.
„Comte?“, fragte Coco zweifelnd, als Xavier sie ins Innere des Hauses führte. „Du?“ Er lachte und schüttelte den Kopf.
„Später.“
Coco stellte ihre Tasche im Flur ab und schaute sich um.
„Woher wusste ich, dass du das sagen würdest?“
„Beim Essen redet es sich besser, deshalb.“ Er wollte fortfahren, aber sein Handy meldete sich in diesem Moment. Xavier sah auf das Display, runzelte die Stirn und nahm das Gespräch an. Er entschuldigte sich kurz bei seinem Gesprächspartner, bedeckte das Handy mit einer Hand und wandte sich an Coco: „Dein Zimmer ist oben links. Du
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