Coco - Ausbildung zur 0
sich zusammen, aber er wusste, sie hatte ein Recht darauf, es zu erfahren. Er nahm den leichteren Weg und begann mit dem Hotel.
„Vor ein paar Jahren habe ich es durch Zufall entdeckt. Damals war es noch nicht so gut ausgestattet wie heute, aber es gefiel mir.“ Er nahm einen Schluck Wein und verschluckte sich beinahe, als ihm einfiel, wie sie sich beide einmal über eine sehr hohe Summe auf seiner Kreditkarte gestritten hatten.
„Kannst du dich noch an die Abrechnung für ‚Chocolat Noir‘ erinnern?“ Coco lachte zur Bestätigung. Und für einen Moment beugte sie sich vor, so dass er in ihr erstauntes Gesicht sehen konnte. „Das war eine Hotelrechnung?“
Xavier nickte schmunzelnd. „Für ein ziemlich intensives Wochenende“, gab er zu. „Aber das ist nicht der Punkt. Ich bin nicht mehr allzu oft dort, weil mir das Publikum nicht mehr gefällt. Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, demütigen nicht. Wir verursachen Schmerzen, wandeln sie in Lust und finden so mit dem devoten Part gemeinsam die Erfüllung unserer Lust. Ohrfeigen und verbale Demütigung gehören aus Prinzip nicht in unser Repertoire.“ Die Pause, die nun folgte, veranlasste Coco, nun vollständig aus ihrem Schutzwall der Dunkelheit hervorzukommen.
Xavier fuhr fort: „Ich hatte das Hotel schon aus meinem Gedächtnis gestrichen. Bis vor kurzem, da lag eine Faxbestätigung auf deinem Tisch, und weil ich es dir nicht ausreden konnte, bin ich dir gefolgt.“
Sie sah ihn eindringlich an, schloss kurz die Augen, als ihr bewusst wurde, dass das Gefühl, jemanden erkannt zu haben, sie nicht getäuscht hatte.
„Ich habe es gesehen“, sagte er eindringlich. „Ich habe gesehen, wozu du fähig bist. Zuerst war ich wütend. Wütend darüber, dass nicht ich es war, der dir die Hand dazu reichen konnte. Und irgendwann … irgendwann habe ich dir nur noch fasziniert zugesehen.“ Betrübt wandte er den Blick ab. „Der, der meinte, dir die Ohrfeige verpassen zu müssen, hat eine von mir kassiert. Erstaunlich, zu welchen Dingen du mich verleitest.“ Coco lächelte milde.
„Dass mir das Publikum dort nicht mehr gefällt, erwähnte ich bereits. Womit wir zu einem Umstand kommen, der dich betrifft. Dieser Baptiste ist ein führendes Mitglied einer Gruppierung, die – sagen wir es mal höflich – unerfahrene Frauen zur reinen sexuellen Sklaverei missbraucht. Deshalb ist es wichtig, dass du für die nächsten Tage schlicht von der Bildfläche verschwindest. Ich will – und einige andere ebenfalls – dafür sorgen, dass Gras über die Sache wachsen kann. Er wird es nicht gern hingenommen haben, dass ich ihm sein vermeintliches Eigentum entwendet habe. Er wird dich suchen, Coco, und wir werden verhindern, dass er dich findet.“
Xavier beugte sich vor, stellte sein Glas ab und faltete seine Hände. Während er weitersprach, knetete er sie, und Coco konnte erahnen, was in ihm vorging.
„Der Anruf vorhin kam von Alex, Diannes Ehemann. Sie haben herausgefunden, dass Baptiste eine Art Prämie auf dich ausgesetzt hat, eine ziemlich hohe obendrein. Unsere Freunde streuen jetzt Gerüchte, die verhindern sollen, dass dieser finanzielle Anreiz potenzielle Kopfgeldjäger – die es in diesem Bereich tatsächlich gibt – dazu veranlassen könnte, dich zu suchen und zu finden. Morgen früh werde ich zurückfahren und mich an dieser Aktion beteiligen. Für die nächsten Tage wirst du hier mit Margerite allein sein. Aber du brauchst keine Angst zu haben: Hier bist du sicher! Niemand außer Dianne und mir weiß, dass du hier bist. Die meisten aus meinem Bekanntenkreis kennen dieses Anwesen gar nicht. Du wirst dich ausruhen, erholen, von Margerite verwöhnen lassen, und in spätestens zwei Tagen bin ich wieder da.“
Coco schwieg. Zu entsetzlich war das, was sie gerade zu hören bekommen hatte. Ihr Herz schlug ihr vor Angst bis zum Hals, und auch Xaviers Beschwichtigungen konnten diese Angst nicht verringern.
19
Coco war verwirrt. Noch hatte sie nicht alles verstanden, doch einer Sache war sie sich in den letzten Stunden sicherer geworden: Sie war anders. Sie hatte es genossen, den Schmerz zu erfahren. Wehrlos zu sein. Sich in bestimmten Momenten benutzen zu lassen. Es hatte sie bereichert. Alles andere, alles, was danach gekommen war, war einfach nur schrecklich gewesen, und Xaviers Worte hatten ihr Angst eingejagt. Trotzdem fühlte sie sich sicher in seiner Nähe. Dass er ihr Gegenstück sein konnte, dagegen hatte sie sich all die Jahre gewehrt.
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