Coconut Caye - Insel der Lust
Gänsehaut – trotz der tropischen Hitze. Nein, das durfte sie ihm niemals sagen.
Das Thema wurde zusehends unangenehmer. Warum konnte sie sich nicht auf einen heißen Urlaubsflirt mit ihm einlassen, ohne jedes Mal von der Vergangenheit eingeholt zu werden?
Sie sprang auf, nahm die Sonnenbrille ab und reichte sie Lauren. “Kannst du die für mich einstecken? Ich möchte eine Runde schwimmen.”
“Kein Problem.” Lauren packte sie in die Strandtasche neben sich. “Ich werde auch reinspringen und sehen, ob ich Anton zu einem kleinen Unterwassergeplänkel überreden kann.”
Sydney starrte sie verwundert an. “Ich dachte, ihr habt noch so viel zu bereden?”
“Haben wir auch. Aber ich kann mit meinen Händen genauso gut reden wie mit meinem Mund. Ich kann sogar beides ohne Worte.” Sie zwinkerte ihr schelmisch zu, während sie ihr Haar im Nacken zusammenband.
“Du bist unmöglich”, sagte Sydney und blickte ihr neidisch nach, als sie mit einem eleganten Sprung vom Pier ins Wasser tauchte. Dann sprang sie hinterher. Sie hatte die Erfrischung bitter nötig.
Als sie wieder auftauchte, schüttelte sie sich die Wassertropfen aus dem Gesicht. Wenn sie doch nur den Mut hätte, wie Lauren aufs Ganze zu gehen! Leider tat sie sich damit unglaublich schwer. Und daran würde sich wahrscheinlich nie etwas ändern. Deshalb entsprach ein heißer Urlaubsflirt überhaupt nicht ihrem Stil.
Aber sie arbeitete schließlich in der Modebranche. Und das Erste, was man in dieser Branche lernte, war, dass Stil veränderbar war.
Als es Zeit fürs Abendessen wurde, waren alle erschöpft. Sie hatten den ganzen Tag am Strand und im Wasser verbracht und ruhten sich jetzt im Wohnzimmer auf dem Ecksofa und dem weichen Teppich aus, während sie aufs Essen warteten.
Sydney und Lauren, die auf Surfen und Jet-Ski-Fahren verzichtet hatten, waren in der Küche und halfen Auralie, ein leichtes Mahl aus Salat und Hähnchensandwiches zuzubereiten.
Rays Magen knurrte. Er war vollkommen ausgehungert. Trotzdem wäre ein üppiges Abendessen nicht gut für ihn, das wusste er. Wenn er jetzt zu viel aß, würde er hinterher auf der Stelle einschlafen, und genau das wollte er nicht. Vielmehr wünschte er sich, dass Sydney endlich die Sandwiches brachte und sich beim Essen auf seinen Schoß setzte.
Wie die meisten Männer ließ auch Ray sich gern mal verwöhnen. Aber vor allem wollte er Sydney so nah wie möglich bei sich haben.
Es war schon seltsam, dachte er, wie sich seine Bedürfnisse über die Jahre gewandelt hatten. Früher war die Gesellschaft von Frauen für ihn stets mit Sex verbunden gewesen. Heute hingegen genoss er es schon, mit einer Frau gemeinsam in einem Raum, in einem Haus zu sein.
Noch seltsamer war, dass er Sydney bis heute nie in diese Kategorie Frauen einsortiert hatte. Doch hier zu sitzen und ihr zuzusehen, wie sie in der Küche hantierte, änderte sein Bild von ihr.
Sie hatte einen leichten Sonnenbrand auf der Nase, und ihr Haar war im Nacken zu einem schlichten Pferdeschwanz gebunden. Den metallisch schimmernden Badeanzug, der ihre Figur besser betont hatte als jeder Bikini, hatte sie gegen ein gelbes T-Shirt und karierte Shorts eingetauscht.
Lauren und sie lachten bei der Arbeit. In diesem Moment hatte sie nicht die geringste Ähnlichkeit mit der unnahbaren Geschäftsführerin von
Girl Gear
, deren Verhandlungsgeschick allgemein gefürchtet war. Sie trug sehr wenig Make-up, gerade genug, um ihre wunderschönen blauen Augen zu betonen und ihrer Haut einen sanften Schimmer zu verleihen. Ray wusste, dass diese Haut sich anfühlte wie feinste Seide.
Na prima, jetzt hockte er schon da und sinnierte über Augen und Haut einer Frau! Er, der große, starke Mann, der sich von keiner Katastrophe schrecken ließ, wurde plötzlich anfällig für schmalzige Metaphern à la “Haut wie Seide”! Er sollte sich besser wieder dem Film zuwenden.
Jess hatte die DVD-Sammlung durchstöbert und “Apollo 13” eingelegt. Anschließend hatte er sich zwei Sitzkissen auf den Boden gelegt und es sich gemütlich gemacht.
Ray und Anton saßen an entgegengesetzten Enden des Sofas, und Doug hatte sich die einzige Liege ergattert, in der er nun vor sich hin döste. Poe hockte im Schneidersitz in der Mitte der Couch und flocht Kinsey, die vor ihr auf dem Boden saß, das Haar in unzählige schmale Zöpfe.
Die ganze Szenerie erschien Ray beinahe unwirklich. Zumindest konnte er sich an kein vergleichbares Bild aus früheren Urlauben erinnern.
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