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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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nutze sie«, sagt sie und scheucht mich aus dem Atelier.
    Ich husche aus dem Turm und an dem Wachmann vorbei. Er mustert mich mit abschätzigem Blick – wie jemand Schwächeres. Dass er einen Begleitschutz für mich herbeiruft, würde mir gerade noch fehlen.
    »Loricel schickt mich, um etwas aus den unteren Ateliers zu holen«, lüge ich.
    An der Art, wie er die Augen zusammenkneift, sieht man, dass er mir nicht glaubt, aber er lässt mich durch.
    Ich eile zu meinem Quartier, bevor mich jemand sieht. Mag Loricel auch nicht glauben, dass Cormac etwas mit Enoras Tod zu tun hatte, so habe ich doch gesehen, was er mit ihr gemacht hat. Selbst wenn sie sich hier eingesperrt gefühlt hat, war sie doch nicht verzweifelt gewesen. Es schien ihr Freude zu bereiten, fast schon manisch meine Kleider samt Schuhen auszusuchen. Und sie wollte mich immer beschützen. Ich lag ihr viel zu sehr am Herzen, als dass sie mich im Stich gelassen hätte. Sie hat mir sogar extra eine Digiakte für meine Reise durch Arras besorgt, und sie hat mich vor Erik gewarnt.
    Die Digiakte?
    Plötzlich wird der Aufzug langsamer, und der Wechsel der Etagenlichter erfolgt nur noch im Zeitlupentempo. Noch fünf Stockwerke. Vier. Ich mag es überhaupt nicht, so weit oben zu wohnen! Sobald sich die Türen öffnen, stürme ich hinaus. Die Digiakte ruht sicher unter meinem Kissen, und ich greife sie mir.
    Indem ich mit dem Finger über den Bildschirm fahre, öffne ich Ordner und Programme. Es gibt Spiele. Kataloge. Eine Anwendung, mit der ich mich mit dem täglichen Wetterprogramm der einzelnen Sektoren verlinken kann. Nichts. Es war nur ein Geschenk. Wie dumm von mir, so enttäuscht zu sein. Wegen Loricels beharrlichen Nachfragen dachte ich, Enora hätte mich so sehr gemocht, dass – wie soll ich sagen –, dass sie mir den Grund verraten würde. Oder sich wenigstens verabschieden oder so.
    »Das kann nicht sein«, murmle ich. Erik und Jost waren so erstaunt, als sie mich auf meiner Reise mit dem Gerät gesehen haben. Dafür muss es doch einen Grund geben. Ich wünschte, ich könnte Jost aufsuchen und ihn fragen, weshalb die beiden damals so reagiert haben. Aber das würde die Aufmerksamkeit auf ihn lenken.
    Erneut greife ich zu der Digiakte und gehe die Programme etwas langsamer durch. Ein Wetterprogramm. Ich erinnere mich an meine erste Begegnung mit Enora, als ich ohne Rahmen in das Gewebe eines Gewitters eingriff. Beim Durchsuchen der Anwendung stoße ich auf eine Datei namens Niederschlag. Alle anderen Inhalte des Programms sind nach Tagen und Monaten sortiert. Ich tippe das Icon an und warte, bis sie geladen ist. Dabei schlägt mein Herz wild angesichts der Möglichkeit einer Antwort oder eines Hinweises. Oder auch nur eines schlichten Abschiedsbriefs.
    In der Datei steckt eine weitere Datei, die die Bezeichnung Donner trägt. Ich öffne auch sie, und da taucht ein Dutzend kleinerer Dateien auf. Die erste davon heißt: Für Adelice.

ZWANZIG
    I ch hole all meine maßgeschneiderten Kleider aus dem Schrank und hänge sie an die Tür zum Badezimmer. Die Digiakte passt in die meisten der kleinen Jackentaschen, doch bei manchen muss ich ein paar Stiche auftrennen. Komme, was da wolle, ich werde das kleine Gerät künftig immer bei mir tragen. Zur Sicherheit habe ich Enoras Nachricht umbenannt. Jetzt habe ich wenigstens einen Ansatzpunkt, auch wenn das meiste noch immer im Dunkeln ist.
    Die Digiakte enthält Informationen, für die man mich ziemlich sicher umbringen würde. Karten. Ortungssysteme. Aber Enoras Nachricht brennt mir am meisten auf der Seele. Ich glaube, ich würde es ertragen, wenn sie alles andere in diesem Ordner finden würden, nur das nicht. Die Nachricht ist zu persönlich. Und obwohl ich sie so oft gelesen habe, dass ich sie auswendig kann, bringe ich es nicht über mich, sie zu löschen. Mit Enoras sanfter Stimme klingt sie in meinem Kopf und wiederholt sich pausenlos. Enora ist so deutlich aus den geschriebenen Worten herauszuhören, dass das Lesen mir unendliche Schmerzen bereitet, als müsste ich gleich zerbrechen.
    Liebe Adelice,
    solltest du diese Datei per Zufall gefunden haben, schließe sie. Hier steht nichts, was dir weiterhelfen würde, und wie du weißt, möchte ich nicht, dass du dich in Schwierigkeiten bringst!
    Solltest du aber gezielt danach gesucht haben, dann bist du auch bereit für Antworten. Ich nehme an, dass du mich persönlich aufgesucht hättest. Deshalb tut es mir vor allem leid, dass ich dich verlassen musste.

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