Cocoon, Band 01
es sich wünschen würde.«
»Dann wählt ihr also für mich?«, frage ich langsam. Dann wird es bestimmt eine politische Heirat.
»Das haben wir bereits getan.« Er strahlt mich an. »Und zwar mich.«
Schlagartig entweicht alles Blut aus meinem Gesicht, und ich muss mich an den Armlehnen festhalten, um nicht umzukippen.
Cormac heiraten?
»Ich bin gerade mal sechzehn«, flüstre ich.
»Wie es der Brauch in den großen Metros vorschreibt, warten wir, bis du siebzehn bist«, sagt er in beiläufigem Ton.
Krampfhaft versuche ich, einen Sinn in dem zu erkennen, was er mir erzählt. Ich stehe auf und schaue zum Fenster hinaus. »Aber wie alt bist du denn?«
Cormacs Blick verfinstert sich mit einem Mal. »Dank der Erneuerungstechnologie ist das nicht von Belang«, sagt er durch zusammengebissene Zähne.
»Für mich schon.«
»Was? Glaubst du, du könntest hingehen und einen jungen hübschen Kerl heiraten?«, fragt er und wird dabei immer lauter. »Lass mich das einmal klarstellen: Die Entscheidung wurde gefällt. Die Gilde will Gewissheit darüber, dass du streng beobachtet wirst.«
»Und du bist der richtige Mann, um das zu tun«, sage ich mit zusammengekniffenen Augen.
»Du kommst in den Genuss derselben Privilegien und darfst Kinder bekommen.«
Ich schlucke die Magensäure hinunter, die mir bei diesen Worten in die Kehle schießt. »Du bist in der Lage, Kinder zu zeugen?«
»Natürlich«, erwidert er, wobei er sein Jackett glatt streicht. »Mein Genmaterial wurde sicher verwahrt, als ich noch jünger war.«
Sehr viel jünger. Kinder zu bekommen, gehörte nicht zu den verpassten Gelegenheiten, die ich beklagt habe, als man mich in den Konvent brachte.
»Dann werde ich also … « Ich suche nach dem richtigen Wort, doch meine Gedanken rasen zu schnell, um an einem hängen zu bleiben. »Befruchtet.« Mein einziger Trost ist, dass, falls mir die Flucht nicht gelingen sollte, keine herkömmlichen Methoden der Fortpflanzung erforderlich sein werden. Sich jedoch auf einer Arztliege zurückzulehnen und zuzulassen, dass …
»Unsere Biogenetiker haben ein Pflaster entwickelt, das es mir erlaubt, Kinder genauso zu zeugen wie jeder junge Vater.« Seine schwarzen Augen glänzen.
Langsam weiche ich vor ihm zurück. Die Vorstellung, dass er mit seinem Leib auf mich eindringt und mich mit seinem aseptischen Gestank erdrückt, raubt mir den Atem, und ich keuche.
»Und wenn ich mich weigere?«, frage ich, und es gelingt mir kaum, die Panik zu verbergen, die in mir aufsteigt.
»Dann überschreiben wir dich«, entgegnet er mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. »Und du heiratest mich anschließend.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust, umklammere meine Schultern und schüttle den Kopf. »Ich mache alles, was du willst, nur das nicht«, flehe ich, während mir heiße Tränen über die Wangen rollen. »Ich werde Stickmeisterin. Ich werde brav sein.«
»Ich hatte gehofft, du würdest vernünftiger sein«, knurrt er und kommt auf mich zu. »Mir wäre eine Frau mit einem eigenen Kopf lieber gewesen, aber dann überschreibe ich dich eben und heirate dich schon nächste Woche, wenn es mir passt.«
Er schüttelt mich, aber ich bringe nur ein Schluchzen heraus: »Bitte. Bitte. Bitte.« Mein Flehen ist atemlos und geht in seinem groben Überfall unter.
»Hast du etwa geglaubt«, sagt er voller Geringschätzung, »dass wir dich einfach gewähren lassen, wenn du mit den Bediensteten herumschäkerst und Verkleidungsspielchen spielst? Arras verlangt nach deinen Diensten, Adelice.«
Ich winde mich aus seinem Griff und stürme aus dem Zimmer. Cormac folgt mir nicht. Irgendwann wird er mich sowieso finden, und das weiß er. Ich stolpre ins Treppenhaus, wo ich vor den Überwachungskameras verborgen bin, zerre an den Fäden der Zeit und webe mir einen Zufluchtsort. Nachdem ich überzeugt bin, dass ich in Sicherheit bin, breche ich auf dem harten, kalten Treppenabsatz zusammen und starre auf das Stundenglas, das mir mein Vater aufs Handgelenk gebrannt hat. Wie soll ich mich daran erinnern, wer ich bin, wenn sie entschlossen sind, mir die Erinnerung zu nehmen?
Mir läuft die Zeit davon. Selbst wenn es mir gelingt, aus dem Gelände auszubrechen, wird Cormac mich einfangen. Ich muss an Loricels Ergebenheit in ihren bevorstehenden Tod denken, und jetzt erst begreife ich, welche Erleichterung sie empfinden muss. Ich wünschte mir, ich wäre tot.
Ich verharre, in meinem eigenen Gespinst gefangen, außerstande, mich zu rühren.
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