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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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Nur eine einzige Person ist mächtig genug, mir jetzt noch zu helfen, und selbst sie sitzt in einer ausweglosen Lage.
    Ich gehe dennoch zu ihr.

EINUNDZWANZIG
    D ie Wände des Stickmeisterateliers sind blank, und der Webstuhl steht verlassen da. Wahrscheinlich ist Loricel mit den anderen beim Abendessen. Vielleicht gehen sie davon aus, dass ich mit Cormac zu tun habe, und suchen deswegen nicht nach mir. Die Bildschirme zeigen die Grundeinstellung, und ich hole tief Luft und überlege, wo ich als Erstes nachschauen soll. Schließlich muss ich der Wand nur sagen, wohin ich möchte, damit sie mir den gewünschten Ort zeigt. Diese Wände können mir überall in Arras Einblick verschaffen, aber ich weiß nicht, wie lange sie mir zur Verfügung stehen, deshalb sollte ich meine Zeit nutzen.
    »Ich bin in der großen Halle beim Abendessen«, verkünde ich und komme mir dabei ein bisschen blöd vor.
    Die Wände schimmern, während sich die große Halle über die Fläche ausspannt. Ich stehe direkt in ihrer Mitte, und rings um mich breitet sich der Tisch aus. Am Kopfende sitzt Loricel, ohne mit jemandem zu reden. Die anderen Webjungfern dagegen unterhalten sich lebhaft, doch ich höre sie nicht. Der Teint der Frauen wird auf den Bildschirmen etwas blasser wiedergegeben als in Wirklichkeit – Kalkweiß, überpudertes Schokoladenbraun und mattes Honiggelb. Ich sehe, wie ein Mädchen den Kopf in den Nacken wirft, und in meinem Geist höre ich hysterisches Gelächter, während die anderen klatschen und wild gestikulieren. So beschließen sie ihren Tag: an einem langen Tisch mit verschiedenen Nachspeisen, gebratenem Fleisch und köstlichen, mit süßer Sahne gefüllten Broten. Einige kippen dünnen Rotwein in sich hinein. Eben schnippt eine mit den Fingern, worauf ein Mann erscheint, um ihr nachzuschenken. Seine Miene ist ausdruckslos, bis auf den leisen Ekel in den blitzblauen Augen.
    Ich starre ihn an. In seinem Abendanzug hat er nur wenig Ähnlichkeit mit jenem abgehalfterten Jungen, der mich durch die Steinzelle getragen hat, aber seine Augen sind noch dieselben wie am Tag unserer ersten Begegnung. Am Tag, als er meine Hände verbunden hat und an dem wir uns geküsst haben. Ich muss mich wegdrehen, um nicht durch die Wand zu stürmen und in seine Arme zu eilen.
    Plötzlich richten sich alle Augen auf mich. Ich fühle mich entblößt, bis mir auffällt, dass ich mich genau an der Stelle befinde, wo der Hauptgang serviert wird, ein großer Schinken oder ein Truthahn oder eine Ente. Eine nach der anderen beginnen die Webjungfern, die in meiner Nähe sitzen, ihre Hände nach mir auszustrecken, und als sie sie wieder zurückziehen, halten sie auf Messer und Gabeln aufgespießte Stücke weißen, dampfenden Fleischs. Ich werde aufgegessen.
    Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht zu lachen und mich auf das zu konzentrieren, was ich inzwischen erfahren habe. Sowohl Loricel als auch Jost habe ich ausfindig gemacht. Eigentlich würde ich Jost gern folgen, aber dies ist meine einzige Chance, die Information zu erhalten, die ich brauche, um Amies Aufenthaltsort zu erfahren und ihn auf den Webrahmen zu ziehen.
    »Zeige mir die Büros«, befehle ich, worauf die Bildschirme ein geschäftiges Gebäude zeigen, wo elegant gekleidete Männer und Frauen mit allerlei Papierkram hantieren. Der Ort befindet sich außerhalb des Konvents. Mein Befehl muss zu ungenau gewesen sein.
    »Zeige mir die Büros im Konvent«, versuche ich es erneut, und flackernd erlischt das Bild.
    Ich ziehe die Digiakte aus der Tasche, und als ich den geheimen Ordner öffne, entdecke ich zu meiner Freude, dass Enora auch eine Karte des Konventgeländes beigefügt hat. Ich blättere den Plan so lange durch, bis ich gefunden habe, was ich suche: das Forschungslabor. Daneben erkenne ich einen Raum, der doppelt so groß ist. Er ist als MAGAZIN gekennzeichnet. Beide Räume befinden sich in der Nähe der Klinik, in der ich kartografiert wurde. Als ich das Labor an der Wand aufrufe, sehe ich ein paar Männer in weißen Overalls, die mit Schläuchen und Röhrchen hantieren. Anscheinend machen sie später als der Rest Feierabend. Ich schließe die Augen und murmle: »Magazin.«
    Ich kann nicht hinschauen. Etwas an dem großen Rechteck auf der Karte führt dazu, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. Langsam öffne ich die Augen. Riesige Metallregale erheben sich in symmetrisch angeordneten Fluchten. Darauf reihen sich Tausende kleiner Metallkästen. Als ich näher herangehe,

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