Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
Vom Netzwerk:
die Haare in Locken zu legen und in die Arbeitswelt einzutreten. Ich habe Bilder von Webjungfern gesehen, die so aufgetakelt waren, dass sie wie aus Plastik aussahen, aber mit ihm möchte ich darüber nicht reden. Soll er doch denken, was er will, er ist sowieso ein Niemand. Ich wiederhole es in Gedanken – er ist ein Niemand – , aber irgendwie glaube ich mir selbst nicht recht.
    »Allerdings warst du in der Zelle«, fährt er fort. Anscheinend führt er unser Gespräch auch gern ohne meine Beteiligung weiter. »Was bedeutet, dass du weglaufen wolltest.« Unsere Augen treffen sich zum ersten Mal, und das leuchtende Blau scheint etwas wärmer zu werden. »Scheinst ja doch was auf ’m Kasten zu haben, Mädchen.«
    Das reicht. »Nennst du alle Frauen, die ein paar Jahre jünger sind als du, ›Mädchen‹?«
    »Nur solche, die wie Mädchen aussehen«, sagt er, wobei er das Wort, an dem ich Anstoß genommen habe, ganz besonders betont.
    »Ach so. Und wie alt bist du? Achtzehn?« Er denkt wohl, unter der Dreckschicht könnte man ihm sein Alter nicht ansehen.
    Er tippt sich an die Stirn. »Hier oben bin ich älter als die meisten Männer, die doppelt so alt sind wie ich.«
    Ich frage ihn nicht, warum. Ich möchte mich nicht zu sehr mit ihm anfreunden. Wozu denn auch? Wir setzen unseren Weg fort, aber sein Blick haftet weiter an mir. Er muss diese Strecke schon oft gegangen sein, denn er sieht nicht nach dem Weg.
    »Lass mich dich tragen.« Er klingt schicksalsergeben, aber in seinem Tonfall liegt auch ein Hauch Freundlichkeit.
    »Mir geht’s gut!«, sage ich etwas zu barsch und schaue weg, damit er nicht sieht, wie mir beim Gedanken an seine Arme um meinen Körper die Röte in die Wangen steigt.
    Brummend hört er auf, mich anzustarren
    »Also wolltest du weglaufen?«
    Ich blicke stumm auf den Steinboden des Korridors.
    »Lass mich raten. Du denkst, dass ich dich verpfeifen will?« Er hält inne, greift nach meinem Arm und flüstert mir zu: »Falls du weggelaufen bist, ist es egal, warum und ob du es zugibst. Sie werden dich im Auge behalten. Also tu, was ich dir rate, und stell dich dumm.«
    Seine Augen flackern wie eine Kerzenflamme, und mir wird klar, dass er seine Warnung ernst meint.
    »Warum interessiert dich das überhaupt?«
    »Weil sie dich umbringen werden«, antwortet er ohne zu zögern. »Und Mädchen, die schlau genug sind, wegzulaufen, gibt es nicht mehr viele.«
    »Dann könnten sie auch dich für dieses Gespräch töten«, sage ich flüsternd. Man hört mir die Angst und Verzweiflung an, die ich aus meiner Zelle mitgebracht habe. Meine Gefühle scheinen eine Reaktion in ihm auszulösen – als hätte ich die in der Luft liegende Spannung in Worte gefasst. Er beugt sich zu mir, und mit angehaltenem Atem warte ich, was er als Nächstes sagen wird.
    Er zuckt mit den Achseln. »Nur, wenn du es erzählst. Und das wirst du nicht tun.«
    Ich versuche, meine Enttäuschung zu verbergen, aber er hat recht. Ich werde ihn nicht verraten, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es daran liegt, dass er mich als schlau bezeichnet hat, oder daran, dass ich ein Geheimnis mit ihm teile.
    Er öffnet die Tür – dahinter wird ein steriles Treppenhaus mit weißen Wänden sichtbar, das ganz und gar nicht zu dem alten, modrigen Zellenblock passt. Mein Führer macht eine einladende Geste, aber als ich die Schwelle übertrete, flüstert er mir so leise zu, dass ich ihn kaum hören kann: »Außerdem gibt es hier Schlimmeres als den Tod.«

    Das missbilligende Geglucke der Konventskosmetikerinnen macht mich langsam fertig. Der Junge hat mich am oberen Ende der Treppe abgesetzt, von wo mich ein Mädchen zu einer Dusche geführt hat. Das Wasser war schmerzhaft kalt – vermutlich werden sie mich so lange frieren lassen, bis ich alles tue, was sie von mir wollen. Schweigend und mit gesenktem Blick sitze ich nun also hier und lasse mich von ihnen herrichten, wie es ihnen passt. Sie haben mir ein flauschiges weißes Kleid gegeben, und obwohl ich all das eigentlich hassen möchte, fühlt es sich wirklich gut an, die Haare gewaschen und gekämmt zu bekommen. Wahrscheinlich hat mir einfach der Kontakt zu anderen Menschen gefehlt.
    Eine Frau schnippelt an meinen Haaren herum, während eine andere mir das Gesicht eincremt. Sie formen meine Augenbrauen zu gepflegten Bögen und ziehen sie nach, damit sie besser zur Geltung kommen. Dann verteilen sie milchweiße Farbe in meinem Gesicht und pudern es. Ich muss an meine Mutter denken, die mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher