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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
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Einfluss auf ihr Gewicht hat, aber damit würde ich ihn wahrscheinlich nur zu weiteren blöden Witzeleien ermutigen. Und ich bin zu geschwächt, um mir eine wirklich schlaue Erwiderung einfallen zu lassen.
    »Bist du überhaupt alt genug, um berufen zu werden?«
    Ich sage nichts.
    »Ich weiß, dass sie dich bei der Prüfung entdeckt haben.«
    Ich beginne, seine Locken zu zählen. Auf den ersten Blick sehen sie schwarz aus, aber bei näherem Hinsehen erkenne ich, dass er eigentlich braunes Haar hat. Er ist nicht so ein Mann wie die in der Metro, die immer gepflegt, gekämmt und rasiert sind, bis man in ihrem Gesicht nicht mehr die Spur eines Haares entdecken kann. Sogar mein Vater hat jeden Abend seine Nägel gebürstet und sich rasiert. Dieser hier riecht nach Hopfen und Schweiß und Arbeit. Er scheint körperlicher zu arbeiten als die meisten Männer in Arras, denn er trägt mich, als würde ich überhaupt nichts wiegen, und ich spüre durch mein dünnes Kleid hindurch, wie stark und straff seine Muskeln an Armen und Brustkorb sind.
    »Hast nicht so viel zu sagen, was?«, spöttelt er. »Na gut. Nett, sich zur Abwechslung mal nicht von einer überprivilegierten Göre herumkommandieren lassen zu müssen. Es wäre schön, wenn die alle so still wären wie du.«
    »Vermutlich hat sogar ein stummes Mädchen mehr Privilegien als der Abschaum, der ihren stinkigen Körper herumschleppen muss«, erwidere ich bissig.
    Er lässt mich auf den harten Steinboden fallen, aber ich empfinde nicht mal Schmerzen. Vermutlich spüre ich nichts mehr, weil ich eine Ewigkeit in der Kälte eingesperrt gewesen bin. Ich bin so ans Sitzen gewöhnt, dass ich einfach auf dem Boden bleibe und ihn anstarre. Überraschenderweise haben sich meine Augen schon wieder so gut an das Licht gewöhnt, dass ich den Hass in seinen Zügen erkennen kann. Er sieht genauso schmutzig aus, wie er riecht – eine unglaubliche Dreckschicht klebt auf Gesicht und Nacken, aber darunter sieht er bemerkenswert gut aus. Die kobaltblauen Augen werden von dem dunklen Dreck noch betont, sie leuchten förmlich aus dem ganzen Schmutz heraus. Einen Moment lang verspüre ich ein Flattern im Bauch, und es verschlägt mir die Sprache.
    »Du kannst alleine gehen. Ich wollte dir nur einen Gefallen tun«, knurrt er. »Ich dachte, du wärst vielleicht anders. Aber mach dir keine Sorgen, du wirst dich sehr gut mit denen verstehen.«
    Ich schlucke und erhebe mich taumelnd. Zwar verliere ich beinahe das Gleichgewicht, aber ich bin zu stolz, um mich zu entschuldigen oder diesen komischen Kerl gar um Hilfe zu bitten. Außerdem würde es mir jetzt, nachdem ich ihn richtig gesehen habe, komisch vorkommen, wenn er mich noch mal anfassen würde. Mädchen reden bei uns zu Hause nicht mit Jungs, und auf gar keinen Fall lassen sie sich von ihnen herumtragen. Die meisten Eltern bringen ihre Töchter selten in die Metro, um Kontakt zum anderen Geschlecht vor der Prüfung zu vermeiden. Aber vermutlich ist das Kribbeln, das ich an den Stellen, wo sein Körper meinen berührt hat, verspüre, nicht nur auf die Sittsamkeit zurückzuführen, die man mir in der Akademie jahrelang eingeimpft hat. Ich würde gern etwas Schlagfertiges erwidern, aber weil mir die Worte fehlen, konzentriere ich mich auf das Gehen, was schwieriger ist, als ich es in Erinnerung hatte.
    »Du kannst mich verpetzen, sobald man dich aufgenommen hat. Gut möglich, dass sie mir die Hölle heiß machen, weil ich eine neue Kandidatin schlecht behandelt habe.« Sein Tonfall ist hart, und erstaunlicherweise fühle ich mich getroffen. Ich habe ihn in eine Schublade mit meinen Häschern gesteckt, und nun steckt er mich in eine mit der Gilde.
    Er geht zügig, sodass ich kaum mithalten kann. Meine Füße kribbeln und stechen, aber ich folge ihm und hole ihn sogar ein. Er blickt herab und ist offensichtlich erstaunt, mich neben sich zu sehen.
    »Wahrscheinlich hast du es eilig, die schicken Schminksachen in die Finger zu kriegen«, bemerkt er schnippisch. Ich bin versucht, ihn erneut als Abschaum zu bezeichnen.
    »Webjungfern bekommen die besten Kosmetikerinnen«, fährt er fort. »Das ist eines ihrer großartigen Privilegien. Ihr Kandidatinnen seid jedes Mal so was von scharf darauf, verschönert zu werden. Es muss echt hart sein, sechzehn Jahre lang auf die Erlaubnis zu warten, Lippenstift zu tragen.«
    Ich verabscheue es, wie ein dummes Metro-Mädchen behandelt zu werden, das nichts anderes im Sinn hat, als sich das Gesicht anzumalen, sich
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