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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
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lokale Landwirtschaft benötigt. Regenschwere Wolken türmen sich auf, dabei fällt mir die Struktur des Gewebes auf, ich kann sehen, wie die hinzugefügten Blitze und der Regen sich langsam über den Himmel schlängeln. Ich greife nach dem Fenster, um es zu öffnen, aber zu meinem Erstaunen habe ich direkten Kontakt mit den Fasern, ich kann die Dunkelheit zu mir heranziehen. Zwischen mir und dem Gewebe da draußen gibt es überhaupt keine Glasscheibe. Wie kann das sein? Ich versuche zu verstehen, warum ich von meinem Zimmer aus das Gewitter verstärken kann. Oder blicke ich gar nicht durch ein Fenster? Beim näheren Hinsehen merke ich, dass das Gewebe des Fensters und alles »draußen« künstlich ist, über das echte Gewebe des Raums geschichtet, so wie ein Gemälde auf einem anderen Gemälde. Die ursprüngliche Textur des Zimmers ist immer noch sichtbar, wenn ich mich anstrenge, sie zu sehen, aber die künstliche Schicht darüber ahmt sie nach. Ich weiß das, weil die goldenen Bänder stillstehen. Die Zeit bewegt sich in diesem Fenster nicht vorwärts, weil es nicht wirklich ein Teil von Arras ist. Es muss eine Art Programm sein, das wie ein echtes Fenster mit echtem Ausblick aussieht. Ich verliere den Faden meiner Gedanken, denn der Sturm schwillt an, bis die Wolken schwer von Regen sind. Es sieht so echt aus, dass ich mir fast einbilde, die Tropfen würden meine Haut benetzen. Die Hände werden mir schwer von dem Stoff zwischen meinen Fingern. Ich lasse das Gewebe fallen und erschrecke darüber, wie viel davon in meinen Schoß fällt. Dann verflüchtigt es sich, als der Donner am falschen Fensterrahmen rüttelt. Es ist ein Wolkenbruch, eine Sturzflut. Ich wünschte, ich könnte Tränen in meine Augen einweben, damit sich der Druck in meiner Brust löst. Aber es kommen keine Tränen, also starre ich in den Regen, den ich aus den Wolken befreit habe.
    Ich bemerke nicht einmal, dass sie mich mit neugierig aufgerissenen Augen beobachtet, bis sie sich räuspert. Hektisch wirble ich herum. Sie ist nicht viel älter als ich, aber ihr honigblondes Haar ist in typischem Webjungfern-Stil lockig hochgesteckt, und ihr maßgeschneiderter schwarzer Anzug bringt ihre gertenschlanke Figur gut zur Geltung. Sie wirkt sanfter als die anderen Frauen, die ich hier bisher getroffen habe, und ihre Kosmetik hat eher den Zweck, ihre schönen Gesichtszüge zu betonen, als die Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Alles an ihr macht einen einladenden, nahbaren Eindruck. Und ich, ich liege hier herum, mit der verschmierten Schminke vom Vortag im Gesicht und einem Haufen angebissenem Essen zu meinen Füßen.
    Ich will aufstehen, doch sie hält mich mit einer Geste zurück. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich dachte, du würdest schlafen. Ich bin deine Mentorin. Sag Enora zu mir.«
    »Sollte ich schon irgendwo sein?« Ich bin selbst überrascht, wie schnell die Worte aus mir heraussprudeln. »Ich kann mich gleich anziehen!«
    Aber das Wort anziehen lässt mich innehalten. Noch immer trage ich das Kleid von gestern Abend, und mehr Sachen besitze ich noch nicht. Ich habe die ganze Nacht damit zugebracht, im Bett zu liegen und die Wolken zu betrachten und weiß noch nicht einmal, ob ich einen Kleiderschrank habe.
    »Adelice.« Enora sagt meinen Name mit Nachdruck, aber freundlich. »Setz dich und entspann dich. Gleich kommt das Frühstück. Ich bin hier, um alles mit dir zu besprechen.«
    Ich stehe wie angewurzelt da. Meine völlige Ahnungslosigkeit ist mir peinlich.
    »Einschließlich deiner Garderobe«, versichert sie, als wisse sie genau, was ich denke. Auf ihre Aufforderung hin setze ich mich auf ein großes Kissen in der Mitte des Zimmers. Einige Augenblicke später bringt man Tabletts mit gestapelten Köstlichkeiten herein, die in Butter schwimmen. Salzige Düfte erfüllen das Zimmer. Der Kellner verteilt Essen und Teller auf den kleinen Tischchen um den Kamin. Mein Gast lächelt und setzt sich auf einen der wenigen richtigen Stühle im Raum, während der Kellner das Feuer schürt und Holz nachlegt.
    »Bestimmt hast du tausend Fragen«, beginnt Enora das Gespräch.
    Ich nicke, und die nagende Leere in meinem Magen wird mir schmerzhaft bewusst. Nervosität und Hunger – keine gute Kombination.
    »Du bist hungrig.« Offensichtlich hat sie das leichte Zittern meiner Hände bemerkt. »Du kannst essen, während ich dir alles erkläre. Wenn du fertig bist, kannst du Fragen stellen.«
    Sie hat etwas Natürliches und Unverstelltes an sich. Ich
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