Cocoon, Band 01
war. Ich möchte, dass er sich nur um mich kümmert. Allein schon an ihn zu denken, ist eine willkommene Ablenkung von der Belanglosigkeit des Abends, doch als meine Tischgenossen zu tuscheln beginnen und Heiterkeit ausbricht, wird meine Aufmerksamkeit wieder auf die Rede gelenkt.
»Wir gehen davon aus, dass der Öffentlichkeit schon nächstes Jahr zur gleichen Zeit sichere Gedankenkartografie zur Verfügung stehen wird«, erklärt Premierminister Carma vom Podium herab. »Stellen Sie sich die Möglichkeit vor, die kostbaren Erinnerungen Ihrer Großeltern zu sichern, bevor sie aus dem Gewebe entfernt werden müssen. Oder die Verhaltensauffälligkeiten Ihrer Kinder schmerzfrei zu behandeln. Bislang stellten diese geringfügigen Unannehmlichkeiten die einzigen Missstände in Arras dar, doch bald werden sie der Vergangenheit angehören.«
»Ich wünschte, das hätten wir letztes Jahr schon gehabt«, sagt Magdalena leise zu den anderen Ehefrauen. »Korbin hat sich zwei Jahre lang an seine Mutter geklammert, bevor ich ihn endlich überreden konnte, den Entfernungsantrag zu stellen.«
Die Frau zu meiner Rechten lacht und flüstert: »Ganz zu schweigen von Joei. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt, sie durch die Prüfung zu bekommen, ohne sie dabei umzubringen.«
Mein Blick begegnet dem Loricels, doch ich sage nichts.
Die Rede endet mit Vorhersagen zur Ernte und mit Berichten und Änderungsvorschlägen zum Webvorgang, über die die Gilde offenbar bei der nächsten Wahl abstimmen wird. Dann ruft der Premierminister diverse Funktionäre auf, die er für ihre Verdienste im vergangenen Jahr ehrt. Als Cormacs Name aufgerufen wird, versuche ich, ein Lächeln in die Vlip-Kameras zu werfen, die auf uns gerichtet sind.
Premierminister Carma beendet die Ehrungen, indem er mit ausgestrecktem Arm auf uns deutet. »Und wie immer spricht die Gilde ihre Dankbarkeit für die Dienste und die meisterhaften Fähigkeiten von Loricel, der Präsidentin des Manipulationsbüros, aus.«
Sie steht nicht auf, sie zeigt noch nicht einmal ein Lächeln. Die Leute klatschen trotzdem.
Cormac wird andernorts verlangt, kaum dass die Reden vorbei sind. Loricel verlässt den Tisch kurz nach ihm. Ich warte an meinem Platz, weil ich keine Lust habe, zu nah an die Tanzfläche zu geraten, wo ältliche Gildenbeamte herumlungern, um blutjunge Webjungfern abzuschleppen. So bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter das Getuschel der Ehegattinnen gegenüber zu belauschen.
»Der Hälfte der Frauen in Arras läuft bei seinem Anblick das Wasser im Munde zusammen, Ihnen doch auch«, sagt Magdalena, wobei sie die Frau neben sich anstupst. »Aber man wird ihn nie nominieren.«
»Auch viele Männer mögen ihn«, widerspricht die andere.
»Nein, sie sind eifersüchtig. Da besteht ein Unterschied«, erklärt Magdalena. »Und selbst wenn wir mitreden dürften, würde er nicht gewählt werden. Cormac ist Single, und als Junggeselle wird man nicht zum Staatsoberhaupt gewählt.«
»Sie hoffen doch nur, dass Korbin das Rennen macht«, flüstert die andere Frau.
Ich linse zu ihnen hinüber und bemerke, dass Magdalena bei diesem Vorwurf zusammenschreckt. Ihr Blick wandert zu mir.
»Trotzdem, Cormac wird niemals Premierminister, solange er mit kleinen Mädchen durch die Gegend flaniert«, sagt sie mit bitterem Unterton.
Das ist für mich das Stichwort, endgültig in mein Zimmer zurückzukehren. Ich bin sicher, dass ich sonst als Nächste ihr Gift abbekommen werde. Ein kurzer Blick durch den Saal offenbart mir niemanden, der mich aufhalten würde, wenn sich nicht gerade einer der Beamten an mich ranmachen möchte. Das würde ich gern vermeiden, denn die Männer, die allein auf diesen Ball kommen, sind durchweg nicht mein Typ – behäbig, behaart und muffig. Nur ein Mädchen, das auf Macht aus ist, würde sich mit diesen Männern abgeben.
Ich vermute, dass sich Pryana deshalb ausgerechnet an den behäbigsten, behaartesten und muffigsten von allen ranschmeißt – den Minister von Ambrica, einer Region, die den Großteil des Ostsektors ausmacht. Sie liegt an der Küste, und der Bauchumfang des Ministers zeugt von einer an Meeresfrüchten reichen Ernährung. Anscheinend spricht er auch gern den Weinen zu, deren Trauben in dieser Gegend üppig wachsen. Unglücklicherweise hält er mich am Arm fest, als ich mich an ihnen vorbeistehlen will.
»Du musst die andere Neue sein.« Er zwinkert mir zu, und Pryana, die sich noch immer eng an ihn schmiegt, starrt mich
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