Code Delta
Seth und Enos auf dem Bildschirm das Gleiche taten. Wie sehr sie sich doch glichen.
Der Computer zirpte. Kenan .
Alpha nahm den Anruf entgegen und klinkte ihn in das Netzwerk ein, so dass sie alle miteinander sprechen konnten, als wären sie im selben Raum, obwohl Welten sie voneinander trennten. »Kenan.« In Alphas Stimme schwangen all die Fragen mit, die er nicht stellen musste.
»Bragg liegt in Trümmern. Die US -Spezialkräfte erlitten schwere Verluste und waren nicht in der Lage, einen erfolgreichen Gegenangriff durchzuführen.«
Alpha merkte genau, dass Kenan um den Kern der Sache herumredete. Er hüstelte. »Und das Mädchen, Fiona?«
» Er war dort.«
»King?«
»Nein, der andere«, sagte Kenan. »Der Stachel in unserem Fleisch. Er hat sie entführt.«
Alpha verzog das Gesicht. Der Mann, dessen Identität und Aufenthaltsort sie trotz unermüdlicher Nachforschungen immer noch nicht hatten herausfinden können, war ihnen erstmals in der Siletz Reservation in Oregon in die Quere gekommen. In dem entstandenen Chaos hatten sie das Mädchen an Delta verloren, hinter die starken Mauern von Fort Bragg. Derselbe Unbekannte hatte seitdem etliche ihrer Versuche vereitelt, die zu eliminieren, die – bewusst oder unbewusst – über ein Wissen verfügten, das alles zunichtemachen konnte, wofür Alpha ein halbes Leben lang gekämpft hatte. Viele seiner Experimente waren zwar geglückt, doch wenn er an die vereinten Kenntnisse all jener dachte, die jetzt an einem geheimen Ort in Sicherheit waren …
Er schob seine düsteren Gedanken beiseite und nahm das aktuelle Problem wieder auf. »King wird nach ihr suchen. Wo immer er hingeht, folge ihm.«
Enos nickte. »Er ist einfallsreich. Er wird sie finden.«
»Wird er überwacht?«, fragte Alpha.
Kenan nickte. »Es hat sich ausgezahlt, unseren Joker auszuspielen. King sitzt in einem Jet über dem Atlantik.«
»Allein?«
»Die anderen Schachfiguren sind vor ihm abgeflogen, jeweils mit einem ganzen Team. Wohin, weiß ich nicht.«
Alphas Augen weiteten sich kurz, dann schmunzelte er. »Sie sind auf der Suche. Findet heraus, welche aussterbenden Sprachen die wahrscheinlichsten Ziele sind.«
»Du willst nicht, dass wir eingreifen?«, fragte Kenan.
Alpha grinste. »Wir nicht. Aber ich denke, wenn wir die richtigen Staaten davon informieren, dass amerikanische Spezialkräfte die Absicht haben, in ihr Territorium einzudringen, um ihre Staatsbürger zu entführen, wird das eine Atmosphäre schaffen, die uns in die Hände spielt. Sollten ein paar der Deltas nach Russland unterwegs sein, werden unsere dortigen Freunde ihnen mit Vergnügen einen äußerst herzlichen Empfang bereiten. In Zukunft hätten wir es dann nur noch mit King zu tun.«
»Und wenn er uns findet?«, fragte Enos.
Alpha stand lächelnd auf und hob eine kleine Eidechse hoch. »Ich breche in Kürze nach Pontus auf. Und sollte er uns hier suchen …« Er hielt die Eidechse in die Höhe und sprach die uralten Worte, welche er unzählige Male in Gedanken rezitiert hatte. Die Eidechse fing an, sich in seiner Hand zu winden, und verwandelte sich vor ihren Augen. »Dann findet er den Tod.«
Seth, Enos und Kenan betrachteten mit großen Augen das Bild, das auf ihre Laptops in Vietnam, Australien und den Vereinigten Staaten übertragen wurde. Ihre Lippen verzogen sich zu einem identischen Grinsen.
Nachdem er die noch nicht vollständig verwandelte Eidechse in einen der großen Käfige gesperrt hatte, kehrte Alpha an seinen Platz zurück und überlegte. Irgendwie war es unbefriedigend, King einfach nur zu töten. Der Mann hatte ihm alles genommen außer dem einen, das kein Mensch ihm rauben konnte: das Leben. King hatte Schlimmeres verdient. Er sollte denselben Schmerz spüren wie er. »Kenan, greif dir das Mädchen. Bring sie zu mir. Falls King die Reise überleben sollte, werden wir ihn hier willkommen heißen.«
Er unterbrach die Verbindung und warf den Blick auf ein Klemmbrett. Es listete eine lange Reihe von Kommunikationseinrichtungen auf – Satellitenschüsseln, Server, Router, kilometerweise Kabel und genügend Rechnerleistung, um ein weltweites Netzwerk zu verwalten. Die Schrift war kyrillisch. Seit er eine Allianz mit Teilen des russischen Militärs eingegangen war, hatte er sich die Mühe gemacht, Russisch zu lernen. Die Russen lieferten ihm die Mittel, die Welt zu verändern, und er revanchierte sich mit fortschrittlichster Technologie. In ihrer eigenen Sprache mit ihnen zu kommunizieren,
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