Code Delta
Schritt, denn er wollte es hinter sich bringen und sich auf den langen Nachhauseweg machen.
Die Bäume am Straßenrand wogten im Wind. Ein halb umgestürzter Baum, der an einem zweiten lehnte, quietschte laut, als die ineinander verschränkten Äste gegeneinanderrieben. Das unerwartete Geräusch riss Rook aus seinen Gedanken, und er spürte, dass sich etwas verändert hatte. Die Kühe waren verstummt. Vielleicht wurden sie gerade gefüttert? Aber auch von dem entfernten Kreischen der Kettensägen war nichts mehr zu hören.
Kafers Stimme ertönte im Ohrhörer. »Rook, hier RP -Eins. Können Sie mich …«
Rook schaltete den Ohrhörer stumm, als ein neues Geräusch an sein Ohr drang. Es war ein tiefes Bass-Stakkato, zwar noch weit entfernt, aber unschwer zu identifizieren. Mehrere Hubschrauber befanden sich im Anflug.
Und zwar große.
27 El Calvario, Kolumbien
Im Schutz der Dunkelheit beobachteten Queen und ihr Team durch Nachtsichtbrillen das kleine Bergdorf El Calvario. Nur wenige Lichter brannten, und die meisten davon ließen sich am typischen Flackern als Fernsehgeräte identifizieren. Das Dorf schlief. Und wenn es am Morgen erwachte, würden zwei seiner Einwohner fehlen. Doch die Ruhe war trügerisch, denn überall sah man die Narben einer gewalttätigen Vergangenheit. Zuletzt war das Dorf 2008 Epizentrum eines Erdbebens der Stärke 5 , 9 gewesen, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen und hunderte verletzt wurden. Die Gewalt des Erdbebens hatte die Gebäude des Ortes schwer mitgenommen. Viele waren nur noch Trümmerhaufen, andere, darunter die große gelbe Kirche, hatten Risse in den Wänden und verzogene Türrahmen.
Die zwei Männer, die sie suchten – die letzten, die Tinigua sprachen –, hatten ihr ganzes Leben in El Calvario verbracht. Der eine, Edmundo Forero, war mit neunundsechzig Jahren der älteste Einwohner des Orts. Der andere, Tavio Cortes, war vierundsechzig Jahre alt und im Nachbarhaus von Edmundo aufgewachsen, so dass er die Sprache aufgeschnappt hatte, in der sein Freund und dessen Mutter sich miteinander unterhielten. Die Sprache, die jetzt nur noch sie beide beherrschten.
Die logistische Herausforderung für Queen und ihr Team bestand darin, dass Edmundo und Tavio zwar eng befreundet waren, mittlerweile aber an verschiedenen Enden des Dorfes wohnten – was nicht nur die Schwierigkeit der horizontalen, sondern auch die der vertikalen Entfernung beinhaltete. El Calvarios Hauptstraße führte nämlich direkt die steile Bergflanke hinauf.
Naheliegend wäre gewesen, das Team aufzuteilen und die beiden Männer gleichzeitig zu schnappen. Doch Queen hatte die zahllosen Einschusslöcher in den Wänden gesehen und wusste, dass es im Ort immer wieder zu Schießereien kam. Die Darstellung Kolumbiens in den Medien als Brutstätte des Terrorismus und Drogenhandels war zwar übertrieben, aber es gab beides, und das Dorf hatte offenbar seinen Teil an Feuergefechten abbekommen. Das Problem für das Team lag darin, dass die Menschen hier wahrscheinlich bewaffnet und auf alles gefasst waren.
Sie bewegten sich im Gleichklang. Wie eine schwarze Anakonda, die sich in der Dunkelheit an ihre Beute anschleicht, schlängelte sich Queens Team im Gänsemarsch durch die engen Gassen zwischen den türkisfarben und weiß gestrichenen Häusern hindurch. Unter der von hohen Pfosten gestützten, rückwärtigen Veranda der ersten Zielperson sammelten sich die Männer. Drei blieben zurück, um Wache zu halten, zwei folgten Queen die Treppe hinauf.
Vor der Hintertür warteten sie dicht zusammengedrängt, bis Queen das Schloss geknackt hatte. Sie zog eine Betäubungspistole und schlich voraus zum Wohnzimmer, wo der Fernseher flackerte. Wie sie gehofft hatte, saß Edmundo schlafend in einem Fernsehsessel, ein Bier in der einen, eine bis zum Filter heruntergebrannte Zigarette in der anderen Hand.
»Der Kerl hat Glück, dass er nicht verbrannt ist«, flüsterte QP -zwei.
Queen zielte und schoss Edmundo in die Brust. Der alte Mann riss die Augen auf, und die ledrig braune Haut seiner niedrigen Stirn legte sich in verwirrte Falten. Er stand auf und starrte auf die schwarzen Masken und Nachtsichtbrillen, aber bevor er begreifen konnte, wie ihm geschah, kippte er mit dem Gesicht nach vorne in Queens Arme. Sie reichte ihn an QP -eins und -zwei weiter, die den Mann die Verandatreppe zu den anderen hinuntertrugen.
Queen folgte ihnen, aktivierte ihr Kehlkopfmikrofon und sagte: »Hier Queen. Wir haben Edmundo Forero. Unterwegs
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