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Codename Azteke

Codename Azteke

Titel: Codename Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Vidal
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dazu berechtigt war, für jeden EU-Bürger, dessen Grundrechte möglicherweise verletzt worden sein könnten, Gerechtigkeit zu fordern. Schließlich, hatte er weiter argumentiert, war es seine Pflicht, alle Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die irgendwo in Lateinamerika gegen irgendjemanden verübt worden waren, vor Gericht zu bringen.
    Der Richter war ein direkter Nachfahre von Vicente Pinzón, dem Kommandeur der Karavelle La Niña , die mit Columbus’ Santa Maria zusammen die Reise begann, bei der sie über Amerika stolpern sollten – was einige Beobachter zu der Vermutung verleitete, Richter Pinzón mache sich Hoffnungen auf ein Imperium.

    Doch was man auch immer hinter seinem Rücken über ihn sagen mochte, nur wenige Politiker fanden, dass sie in der Öffentlichkeit groß etwas dadurch gewinnen konnten, dass sie die Motive oder Behauptungen des Richters in Frage stellten und möglicherweise in die Falle gerieten, ihre eigene Einstellung zur Frage der Menschenrechte verteidigen zu müssen.
    Pinzóns Entschlossenheit stellte für die Minister ein unangenehmeres Problem dar, weil er seine Vormachtstellung innerhalb des Gerichtswesens ausnutzte, um sich mit Bitten um Auslieferungsanträge gegen bestimmte Leute direkt an sie zu wenden – wobei es um frühere Präsidenten ebenso ging wie um Militärbefehlshaber oder niedere Polizeibeamte, die durch »Zeugenaussagen« belastet wurden –, damit sie vor dem Gerichtshof in Madrid verurteilt werden konnten.
    Da in der Regierung niemand den Wunsch verspürte, das Thema der nächsten wöchentlichen Pressekonferenz von Pinzón zu werden, fiel es den Ministern und Staatssekretären leichter, seinen Forderungen nachzugeben, als ihre Gültigkeit in Frage zu stellen.
    »Pinzón ist auf führende Kabinettsmitglieder zugegangen – Innenministerium, Außenministerium, Verteidigung –, die alles gesagt haben, was der Richter hören wollte«, erklärte Pinto, »und dann haben sie sich auf eine gemeinsame Strategie verständigt: mir den ganzen Kram vor die Füße zu werfen.«
    Rosa lächelte wissend und erwiderte: »Den Kram, den Sie jetzt mir vor die Füße werfen wollen, nicht wahr?«
    Unbeeindruckt fuhr er fort: »Ich habe unsere Leute vor Ort gebeten, Beweise zu sammeln. Aber wir müssen sie erst
sichten. Ich bitte Sie nur, hinüberzufliegen und neben Ihrer Arbeit für das Wirtschaftsministerium einen Blick auf die Angelegenheit zu werfen. Sehen Sie sich das Material an und sortieren Sie die Vendettas aus. Bringen Sie ein paar mit Potenzial mit. Keine Eile. Ich werde sagen, dass wir an der Sache arbeiten, und gebe ihnen etwas, womit sie den Richter in Schach halten können.«
    »Irgendein Wunsch, wo ich anfangen soll?«
    »Eigentlich schon.« Rosa glaubte ein leises Erröten in Pintos Gesicht wahrnehmen zu können. »Im Moment hat er sich auf Chile versteift. Er tobt, dass uns Pinochet einmal durch die Finger geschlüpft ist – Sie erinnern sich doch noch an seine Verhaftung in England, nicht wahr? –, und ist der Meinung, dass die Sache aus und vergessen ist, sobald der General das Zeitliche segnet.«
    »Er glaubt doch nicht im Ernst, dass er Pinochet hierherbekommen kann?«
    »Nein. Aber ich glaube, dass er seine Handlanger noch zu ›Pinnochios‹ Lebzeiten erwischen will.«
    »Für dieses Jahr stehen aber keine ICEX-Reisen nach Chile mehr an.«
    »Darum kümmern wir uns. Lassen Sie sich ein paar Tage in diesem schönen Grand-Hyatt-Hotel in Santiago verwöhnen und bringen Sie mir, was Sie kriegen können.«
     
    Aber Rosa war nicht sofort nach Chile geflogen. Ihre Arbeit für ICEX hatte Vorrang, und so war sie zuerst nach El Salvador und Argentinien geflogen, wo die dortigen CNI-Mitarbeiter seit einiger Zeit Namen und Beweise gesammelt hatten und ihr eine Reihe von Akten überreichten.
    Sie hatte eine traurige Lektüre erwartet, aber sie war
nicht auf derartig intensive Schilderungen der heftigen inneren Konflikte gefasst gewesen, bei denen beide Parteien ihren Gegner gut genug kannten, um ihren Hass zu personalisieren.
    Wenn sie sich die wunderschönen Länder ansah, in denen diese Dinge passiert waren, und sich an die Freundlichkeit erinnerte, die ihr von der Bevölkerung stets entgegengebracht worden war, war es kaum zu glauben, dass dort solch brutale Verbrechen begangen worden sein sollten. Und was noch schlimmer war, war das Gefühl, dass die meisten Verbrecher noch frei herumliefen und zum größten Teil ein sehr geruhsames Leben führten.
    Aber es

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