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Codename Azteke

Codename Azteke

Titel: Codename Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Vidal
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der Villa Grimaldi, des Tacna-Regiments und der Luftwaffenakademie auf. Insgesamt 119 Morde wurden Ortiz in den Dokumenten zur Last gelegt, die Rosa Uribe von Bianchi erhalten hatte.
    »Es ist kaum zu glauben, dass so etwas in Chile passieren konnte«, sagte sie, als sie die Blätter sinken ließ.
    Bianchi nickte.
    »Es ist dreißig Jahre her«, fuhr Rosa fort. »Aber ich nehme an, es ist weder vergessen noch vergeben, nicht wahr?«
    »Es gibt noch beträchtliche Verbitterung. Auf beiden Seiten.«
    Diesmal nickte Rosa. Und als wäre ihr erst jetzt klar geworden, was sie soeben gelesen hatte, nahm sie die Liste wieder in die Hand. Zwei Namen stachen hervor. Wie konnte sie sie zuvor übersehen haben?
    Florin de Valle, Lucía Irene, 34
    Florin de Valle, María Luz, 11 Monate
    »Sind das …« Sie zögerte, zeigte Bianchi die Blätter und wies mit dem Finger auf die Namen. »Sind das Mitglieder von Jesús Florins Familie?«
    »Ja«, antwortete er. Er musste nicht erst hinsehen.
    »O mein Gott. Das könnte alle möglichen Folgen haben.«
    »Ich weiß.« Bianchi zündete sich eine Zigarette an. »Mrs Uribe …«
    »Rosa.«
    »Rosa, vielen Dank. Rosa, ich möchte Ihnen gern etwas zeigen. Haben Sie heute sehr viel zu tun?«

    »Nein, nicht unbedingt«, meinte sie diplomatisch. »Was haben Sie denn vor?«
    »Es ist hundertzwanzig Kilometer von hier. Wir könnten zum Mittagessen dort sein. Ich verspreche Ihnen, dass es sich lohnen wird.«
     
    Sie fuhren in Richtung Valparaíso, als die Sommersonne ihren Höchststand erreichte. Bianchi drehte die Klimaanlage auf, und sie unterhielten sich über Politik und Rosas Arbeit in der Wirtschaft. Den Zweck seines Ausflugs sprach Bianchi nicht an, und Rosa fragte nicht nach. Bislang war er ihr wie ein vernünftiger und rationaler Mann vorgekommen.
    Zwei Stunden später erreichten sie Viña del Mar, und Bianchi fuhr direkt zum Meer und dann weiter nach Norden die Küste entlang. Rosa war zum ersten Mal in dem Badeort, der zu Beginn der Saison voller Leben war. Bianchi fuhr langsam, behindert durch Urlauber und Verkehr, und so konnte sie die endlosen Strände bewundern, über die eine sanfte Meeresbrise strich und die von bunten Blumenbeeten gesäumt waren. Überall liefen Menschen in Badeanzügen oder spärlicher Kleidung zwischen Sonnenschirmen und Strandcafés hin und her, um wenigstens zeitweise der gnadenlosen Sonne zu entkommen.
    Als sie das Zentrum verließen und die Avenida Borgoño entlangfuhren, verlief sich die Menge allmählich. Links von ihnen wichen die Strände felsigen Landzungen, und zu ihrer Rechten zeugten exklusive Villen und mehrstöckige Wohnhäuser mit angrenzendem Golf- und Tennisclub von den Erschließungen der letzten Zeit.
    An der Stelle, an der die Straße kurz nach Osten abbog, vorbei an einem neuen Yachthafen, stand an privilegierter
Stelle zwischen der Straße und dem Pazifik eine Reihe von Häusern. Alle bis auf eines sahen neu aus, und Bianchi fuhr zu dem unpassenden, einstöckigen Holzhaus, das offensichtlich lange nicht mehr renoviert worden war. Er machte die Wagentür auf und bedeutete Rosa, ihm zu folgen.
    Sie gingen an der linken Seite des Hauses durch einen ehemaligen Vorgarten zu einer niedrigen Holzpalisade an der Klippe. Die Nordwestfassade des Hauses hatte eine überdachte, leicht erhöhte Veranda, auf der jetzt keine Möbel mehr standen. Die doppelten, bodentiefen Fenster, fest verschlossen und verriegelt, konnten das Haus nicht vor den Elementen schützen. Vom verfaulenden Holz blätterte die Farbe ab, und Fensterscheiben fielen heraus.
    »Florins Haus«, erklärte Bianchi der verwunderten Rosa.
    »O Gott.« Sie hatte das Gefühl, als würde dieser Besuch etwas mit Ortiz zu tun haben.
    »Genau genommen gehört es ihm immer noch«, bemerkte Bianchi.
    »Tatsächlich?« Rosa sah ihn fragend an.
    »Die Grundbuchrechte sind auf Lucía Florin eingetragen. Nach ihrem ›Verschwinden‹ stand es eine Weile leer, dann zogen hier 1974 Leute von der Marine ein, doch sie blieben nur ein paar Jahre. Jeder wusste, dass es Florins Haus war, und sobald die Furcht vor dem Militär nachließ, wurden die Besatzer schief angesehen und beschimpft.«
    »Aber da Lucía und ihre Tochter tot waren, hätte das Haus an Jesùs übergehen müssen«, überlegte Rosa. »Sie hätten es beschlagnahmen können wegen verbotener terroristischer Umtriebe oder so.«
    »Das Problem war nur, dass Lucía offiziell nicht tot war – ihre Leiche wurde bis heute nicht

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