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Codename Azteke

Codename Azteke

Titel: Codename Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Vidal
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eben ging.
    Um sieben Uhr ging Rosa auf ihr Zimmer, warf den Umschlag auf das Bett und tauschte die Kleider mit einem Bademantel. Dann goss sie sich ein Glas kaltes Mineralwasser ein und stellte es auf den Schreibtisch, bevor sie ihren kleinen Computer aus dem Safe nahm.

    Normalerweise nutzte sie das Wi-Fi-System des Hotels, doch an diesem Abend zog sie eine sichere Kabelverbindung vor und loggte sich in das CNI-Archiv in Madrid ein.
    Wie vermutet gab es haufenweise Dateien über Jesús Florin, die bis in die Jahre des Bürgerkriegs zurückreichten. Seine Zeit in Russland, seine Heirat mit Natalia und die persönlichen Tragödien, die folgten. Freunde, Feinde, alles war enthalten in den Zusammenfassungen und Querverweisen zu weiterführenden Dokumenten, zu denen Rosa zum Teil ohne zusätzliche Autorisierung keinen Zugang hatte. Seit 1979 war nur sehr wenig dazugekommen, vielleicht, weil man Florin seitdem nicht mehr als einen Hauptakteur betrachtete.
    Sie las alles, was sie über die Allende-Jahre finden konnte, entdeckte drei Einträge zu Lucía Florin (geborene Bamberg), 1939 – 1973, und nur zwei Zeilen zu María Luz Florin (1972 – 1973). Außerdem fand sie heraus, dass Lucías Mutter, Eva Bamberg, ebenfalls vermisst und für wahrscheinlich tot erklärt worden war.
    Über Osvaldo Ortiz gab es nicht viel – nur eine nebensächliche, nichtssagende Bemerkung, die dem, was Bianchi herausgefunden hatte, nicht das Wasser reichen konnte. Rosa schaltete den Computer aus und legte ihn wieder in den Safe. Sie nahm Bianchis Umschlag und setzte sich auf das Sofa vor ihren Fenstern zur Welt. Die Sonne stand jetzt hinter dem Hotel, und ihre privaten Berge hatten tausend verschiedene Gold- und Kupfertöne angenommen.
    In dem Umschlag befand sich nur eine einzige Akte. Sie hatte einen roten Umschlag und trug die Aufschrift Operación Hamelín. Es waren insgesamt sechsundzwanzig Seiten einschließlich der beigefügten Dokumente. Als Rosa
sie durchgelesen und noch einmal gelesen hatte, liefen ihr Tränen übers Gesicht, und ihre Berge waren in tiefste Dunkelheit gehüllt.
    Sie legte sich einen Augenblick aufs Bett, griff dann zum Telefon und rief ihren Mann an.
    »Ich vermisse dich, Max.«
    »Geht es dir gut?«
    »Ja, alles in Ordnung.«
    »Du hörst dich nicht so an, Liebling.«
    »Es tut mir leid. Ich bin nur müde. Diese Reise macht mich fertig.«
    »Hat dieses Schwein Pinto dich geärgert?«
    »Nein.« Rosa musste lächeln. »Es geht schon wieder. Ich vermisse dich nur.«
    »Dann komm nach Hause.«
    »Das werde ich. Ich reise morgen ab. Ich bin hier fertig.«
    »Ich liebe dich«, sagte Max zärtlich.
    »Ich dich auch«, erwiderte sie und legte dann auf.
    Rosa blieb auf dem Bett liegen und versuchte zu verstehen, oder zumindest zu akzeptieren, dass sie es wahrscheinlich nie begreifen würde.
    Hamelin war nicht die Lotterie des Lebens. Es war von Menschenhand gemacht. Und es lag an den Menschen, die Sache in Ordnung zu bringen.
    Entschlossen rief Rosa die Rezeption an und bat, zum Reisebüro durchgestellt zu werden. Sie änderte ihre Flugreservierung und ging dann systematisch durch das Zimmer und packte ihre Sachen. Dann nahm sie ein entspannendes Bad und war um neun Uhr eingeschlafen.
    Am Morgen stand sie früh auf, machte sich diesmal aber nicht die Mühe, die Vorhänge aufzuziehen. Nachdem sie
ihre Rechnung bezahlt hatte, schrieb sie eine kurze Nachricht für den spanischen Botschafter, in der sie ihm für seine Gastfreundschaft dankte und sich für ihre plötzliche, aber unvermeidbare Abreise entschuldigte, und bat den Portier, sie zu überbringen.
    Dann nahm sie ein Taxi zum Pudahuel-Flughafen und saß um 8:30 Uhr im Flug LAN584 nach Havanna.

12
    Der Fahrer hielt Hadley die Tür auf und ließ ihn allein in den Estrella-Flügel des CNI-Gebäudes gehen. Dort nannte Hadley der Empfangsdame seinen Namen, die ihn daraufhin telefonisch ankündigte. Einen Moment später kam die Sekretärin, die bei seinem letzten Besuch Mercedes und Rosa begleitet hatte, aus dem Aufzug.
    Dieses Mal brachte sie ihn in Pintos Büro im fünften Stockwerk. Es war groß und einladend und selbst an einem so trüben Morgen lichtdurchflutet. Der Capitán sah von den Papieren auf, in denen er gelesen hatte, lächelte Hadley zu und winkte ihn zu einem der beiden lederbezogenen Eichenstühle vor seinem Schreibtisch.
    »Unser Reisender kehrt zurück!« Pinto klang, als wolle er die Sache leichtnehmen, aber er sah müde, ja gestresst aus, fand Hadley.

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