Codename Azteke
Initiative hin.«
»Ja.«
»In unserem Geschäft stellen wir stets viele Fragen«, meinte Florin, »aber den Antworten, die wir bekommen, trauen wir äußerst selten.«
Rosa nickte zustimmend.
»Aber bei Ihnen heute bin ich mir sicher.«
»Ich danke Ihnen.«
»Ich habe Ihnen zu danken.« Er sagte es, als habe er vergessen,
dass sie da war. Sie merkte, dass ihn seine Gedanken weit fortgeführt hatten.
Als er von dort zurückkehrte, sprach er offen, wie ein Mann, der sich auf unbekanntem Gebiet bewegt: » Warum? , habe ich mich zuerst gefragt. Und als mein Herz aufhörte zu bluten: Wer? Irgendwann fand ich einen Namen. Osvaldo Ortiz. Aber die Spur war kalt. Wir hatten ihn verloren. Und als die Jahre vergingen, baten mich meine Freunde, schlafende Hunde ruhen zu lassen.«
»Vielleicht hätte ich nicht …«
»Nein«, erwiderte Florin schnell, fast als fürchte er, dass ihm das, was ihm gerade so großzügig geschenkt worden war, wieder weggenommen würde.
Eine Wolke schob sich für einen Moment vor den Mond, und Rosa rieb sich die Unterarme. Die plötzliche Kälte, die sie verspürte, rührte nicht ausschließlich von der Kühle der Dezembernacht her.
»Lassen Sie uns hineingehen«, schlug Florin vor.
Er stand auf, nahm ihre leeren Gläser und rief nach Miriam. Rosa ging ihm voran ins Wohnzimmer. In einer Ecke brannte ein kleines Feuer, und sie setzten sich daneben. Gleich darauf kehrte Miriam mit frischen Getränken zurück.
»Selbst jetzt noch könnte ich es auf sich beruhen lassen«, sagte Florin, als Miriam gegangen war.
»Vielleicht wäre es so am besten«, erwiderte Rosa. »Es wird Ihnen Lucía nicht zurückbringen.«
Sie fühlte sich unbehaglich als Eindringling in die Vergangenheit eines alten Mannes, ein Gefühl, das durch die unverhohlenen Emotionen in Florins Stimme nur noch verstärkt wurde.
»Es würde alte Wunden aufreißen. Kann ich das durchstehen ?« Er sah sie an und lächelte fragend. »Aber dann ist da noch das hier«, fuhr er fort, nahm die geschlossene Hamelin-Akte in beide Hände und musterte sie. »Und da scheint es mir, als hätte ich keine Wahl.«
»Sie haben immer eine Wahl, Mr Florin«, sagte Rosa. Aber ihr Ton verriet, was sie selbst unter diesen Umständen getan hätte.
»Ich muss nachdenken«, sagte er. »Kann ich Sie morgen treffen?«
»Natürlich. Aber morgen Abend muss ich nach Hause fliegen.«
Florins Ordonnanz brachte sie hinaus. Miriam lächelte, als sie vorüberging. Jesús bekam nur noch selten Damenbesuch. Sie vermisste das.
Colonel Sierra fuhr sie nach Havanna zurück. Man hatte ihm offensichtlich gesagt, er solle draußen warten. Rosa glaubte nicht, dass es viele Menschen in Kuba wagen würden, Aquiles Sierra Befehle zu erteilen, aber augenscheinlich gehörte Florin zu den wenigen. Diesmal versuchte Sierra nicht, sie in ein Gespräch zu verwickeln, und das war ihr nur recht.
Von ihrem Zimmer aus rief sie Max an und sagte ihm, dass sie die Nacht in Havanna verbringen würde.
»Du klingst fröhlicher«, fand er.
»Ja«, stimmte sie zu. »Aber ich vermisse dich immer noch.«
»Komm zurück.«
»Ich fahre morgen Abend, versprochen.«
Kurz nach Mitternacht ging Rosa ins Bett, und als sie
über die Konsequenzen ihres Handelns nachdachte, wurde ihr fast schwindlig. Wie viel würde sie Pinto erzählen müssen? Was für einen ausgeklügelten Plan würde er einsetzen wollen, um sich das Wohlwollen der Kubaner zu erkaufen? Würden die Kubaner überhaupt daran beteiligt werden, oder würde Florin die Sache für sich behalten? Sie zweifelte nicht daran, dass er versuchen würde, an Ortiz heranzukommen, und noch weniger, dass er früher oder später selbst in Spanien auftauchen würde.
Nachdem sie zu dem Schluss gekommen war, dass der nächste Zug vom Azteken ausgehen musste, schloss sie schließlich die Augen. Sie konnte erst darüber nachdenken, wie weit sie zu gehen bereit war, wenn sie erfuhr, was er vorhatte …
Am nächsten Morgen meldete sich Rosa kurz in der Botschaft, bevor sie wie verabredet wieder zu Florin zurückkehrte. Doch dieses Mal nahm sie lieber ein Taxi, als noch eine Fahrt mit Sierra zu riskieren. In Havanna gab es überall Spione.
Falls Florin die Informationen, die sie ihm am Abend zuvor geliefert hatte, durcheinandergebracht hatten, so ließ er es sich heute nicht anmerken. Er öffnete ihr persönlich die Haustür und begrüßte sie mit einem Lächeln. Er trug eines seiner Ensembles mit Shorts und Blumenmusterhemd und schien
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