Codename Azteke
kurzfristige Entscheidung, ich habe es selbst bis vor kurzem nicht gewusst.«
Der Geschäftsführer hatte die Situation wieder unter Kontrolle und organisierte unmerklich die Ankunft des geschätzten Gastes. Check-in-Formalitäten waren unnötig, er flüsterte lediglich eine Zimmernummer, und die Räder setzten sich in Bewegung.
»Bitte erlauben Sie mir, Sie zu begleiten, Mrs Uribe.«
Sie nahmen den Lift zu den Stockwerken des Royal Service. Als sie die Privatrezeption erreichten, war der elektronische Schlüssel bereits vorbereitet, und ein Zimmermädchen eilte los, um frische Blumen in Mrs Uribes Zimmer zu stellen. Es war eine Ecksuite mit Fenstern nach Norden und Westen, aus denen sich ein herrlicher
Blick über Boca Chorrera und das Schloss Saint Dorothea bot.
Das Angebot des Managers, einen Butler ihre Koffer auspacken zu lassen, lehnte sie ab, und sobald sie allein war, ging sie zum Telefon. Sie hatte keine Ahnung, wie sie den Kontakt herstellen konnte, ohne dass bei der Botschaft Fragen gestellt würden, daher warf sie das Protokoll über Bord, rief den Innenminister an und hinterließ eine Nachricht für Aquiles Sierra. Eine Stunde später klopfte dieser an ihre Tür.
Er trug Zivilkleidung und hatte sich nicht an der Rezeption gemeldet. Für die Touristen sah er aus wie einer der zahlreichen Geschäftsleute im Anzug. Doch vielen Kubanern war sein Gesicht bekannt, und mit oder ohne Uniform konnte er sich in Havanna völlig ungehindert bewegen.
Rosa bat ihn herein und nannte ihm auch sogleich den Grund für ihren Besuch.
»Ich muss mich unbedingt sofort und sehr diskret mit General Florin treffen. Können Sie das arrangieren?« Selbstsicher saß sie Sierra im Sessel gegenüber und hielt seinem kalten Blick stand.
»Und der Zweck dieses Treffens?«, fragte Sierra ebenso direkt.
»Das ist etwas Persönliches. Nur für die Ohren des Generals bestimmt.«
Sierra nickte langsam. Rosa hatte so etwas erwartet. Geheimdienstleute erwiesen niemandem einen Gefallen ohne Gegenleistung. Wenn es gutes Material gab, dann wollte er es selbst haben.
»General Florin empfängt keine Besucher, Mrs Uribe. Wenn ich seine selbstgewählte Isolation störe, dann muss ich …«
»Colonel Sierra«, unterbrach sie ihn, »ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich Zeit sparen und nicht verschwenden wollte. Bitte lassen Sie mich ausreden«, fügte sie bestimmt hinzu. Kein besonders geduldiger Mensch, stellte sie fest. »Ich wiederhole: Es ist eine persönliche Angelegenheit. Entweder wird sie durch mich mündlich und privat dem General selbst überbracht, oder gar nicht.«
Sierra begann sich zu fragen, ob das eine offizielle Aktion von Spanien aus war oder möglicherweise auf ihre Privatinitiative hin geschah, doch Rosa kam ihm erneut zuvor.
»Ich habe nicht allzu viel Zeit, Colonel.« Sie stand auf, um anzudeuten, dass der Besuch beendet sei. »Heute wäre ideal, morgen wäre auch noch möglich, aber danach kehre ich nach Madrid zurück.«
Noch am selben Abend saß Rosa auf einem Rohrstuhl auf Florins Terrasse. Sierra hatte sie selbst zu dem Bungalow am Strand gefahren, doch er war nicht gebeten worden zu bleiben. Offensichtlich mochten sich die beiden Männer nicht besonders. Schweigend nippte sie an dem Rumpunsch, den Miriam ihr gemacht hatte, und betrachtete den breiten Silberstreifen, den der Mond auf dem spiegelglatten Meer warf. Sie konnte Florin atmen hören, als er die beiden Akten las, und betete zu Gott, dass sie das Richtige tat. Jesús legte die beiden Mappen auf den Tisch und schwieg einen Moment.
»Danke.«
Die Art, in der er das sagte, ließ Rosas Herz höher schlagen.
»Ich nehme an, Sie sind verheiratet, Mrs Uribe?«
»Ja.«
»Haben Sie Kinder?«
»Nein.«
»Wollten Sie welche?«
»Ja.«
»Ich auch.« Florin sah sie an und lächelte sanft.
»Weiß Ihr Arbeitgeber, dass Sie hier sind?« Er stellte die Frage freundlich, nicht so wie Sierra.
»ICEX?«
Jesús lachte. Sie hörte sein ansteckendes Lachen zum ersten Mal.
»Nein«, erwiderte sie lächelnd.
»Darf ich fragen, wie Sie an diese Papiere gekommen sind?«
»Ich komme gerade aus Chile. Ich habe sie von einer Quelle dort, einem Anwalt aus Valparaíso.«
»Meine Frau war Anwältin in Valparaíso.«
»Ich weiß. Um die Akte Ortiz hatten wir gebeten«, fügte sie hinzu. »Die andere hat er uns von sich aus gegeben. Freiwillig. Sodass wir damit tun können, was wir für richtig halten.«
»Also sind Sie hier.«
»Ja.«
»Auf Ihre eigene
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