Codename Azteke
sagte Ramiro mit geheucheltem Desinteresse, »ich werde ganz sicher nicht fragen, warum in aller Welt man sich so plötzlich ausgerechnet nach Montenegro absetzen muss, mein lieber Junge, aber wenn ihr mich fragen würdet …«
»Wir fragen nicht, Ramiro«, neckte ihn Mercedes.
»Dann sage ich euch in diesem Fall auch nicht, wer am Ostermontag in Valladolid aufgetaucht ist«, konterte Ramiro.
Der Ober kam, und Ramiro bestellte eine Flasche 1970er Chivite aus Navarra, einen weiteren Teller Oliven und eine Racíon Manchego-Käse.
»Lass mich raten«, sagte Hadley. »Cousine Rosa?«
»Volltreffer! Sie lässt euch beide grüßen. Aber ich muss sagen, sie sah ziemlich fertig aus, dunkle Ringe unter den Augen und nicht so lebhaft wie sonst. Sie sollte es wirklich ein wenig langsamer angehen lassen. Immerhin kann ich wenigstens berichten, dass Max gut in Form war. Ich habe ihnen erzählt, dass ich euch am Morgen noch gesehen habe. Nun, was wollen wir essen?«
Hadley fragte sich, ob Rosas Besuch ein Zufall gewesen war. Hatte sie irgendwie erfahren, dass Jack und Mercedes in Tordecillas gewesen waren?
»Die Zwiebelsuppe hier ist absolut sagenhaft«, schlug Ramiro vor, ohne den Blick von der Speisekarte abzuwenden, »und mit einem Seebarsch im Salzmantel danach kann man bestimmt auch nichts falsch machen.«
Sie waren zu müde, um zu widersprechen, und außerdem konnte man sich üblicherweise auf Ramiros Empfehlungen verlassen.
»War es ein familiärer Anlass?«, erkundigte sich Hadley, als der Wein gekommen war und der Kellner ihre Bestellung aufgenommen hatte.
»Nein, einfach so. Sie haben meine Mutter angerufen, sich selbst zum Tee eingeladen, und Mutter hat es dann mir gesagt.«
»Lasst uns essen«, schlug Mercedes vor und zwinkerte Hadley zu.
Ramiro nahm einen Schluck Suppe und legte dann den Löffel hin.
»Also gut, ich gebe auf«, verkündete er schließlich. »Warum wart ihr in Montenegro?«
Sie mussten lachen, denn sie kannten die Begeisterung ihres Freundes für Klatsch und Tratsch. Es war ihm unbegreiflich, wie man ein Geheimnis für sich behalten konnte. Hadley neigte sich vor und senkte die Stimme.
»Es hat mit Jesús Florin zu tun. Ein paar interessante Fakten über seine Zeit dort; Leute, die ihn gekannt haben.«
»Wann war er denn in Serbien?«
»In den Dreißigerjahren, und zwar mehr als einmal«, erzählte ihm Hadley. »Damals war es noch Jugoslawien. Er hat sogar Marschall Tito getroffen, und General Mercer.«
Ramiro widmete sich wieder seiner Suppe, doch er schien nachdenklich. »Die ganzen verdammten Roten auf einem Haufen. Hätten in Jugoslawien bleiben sollen, was?«
»Wir sollten nicht zu viel auf ihm herumhacken«, sagte Mercedes und brachte das Gespräch wieder auf das Thema zurück, das sie ansprechen wollte. »Jack bekommt immerhin eine Menge Geld dafür, Florins Biografie zu schreiben.«
»Dank dir«, ergänzte Hadley.
»Na ja, nicht ganz …« Ramiro schien leicht verlegen.
»Ja, ich weiß, du hast gesagt, Rosa hätte die Namensliste für die Schlacht um Madrid besorgt.« Hadley hoffte, dass er beiläufig genug klang. »Aber war es nicht in erster Linie deine eigene Idee?«
»Vielleicht«, gab Ramiro zu. »Ich meine … sie ist an einem Wochenende nach Valladolid gekommen. Sie sagte, sie sei in Kuba gewesen und hätte flüstern gehört, dass dieser Florin einige deiner Schriften gelesen hätte, die Bücher über die Schlachten. Sie hat gefragt, ob ich dich kenne.«
Da lügt jemand , dachte Hadley. »Was wissen Sie über Kriege, junger Mann?«, hatte Florin ihn anfangs gefragt. Er erinnerte sich genau daran. Erst bei ihrem zweiten Treffen hatte er Hadleys Arbeiten erwähnt.
»Rosa kennt Florin?«, fragte Mercedes.
»Rosa kennt alle, meine Liebe«, behauptete Ramiro ernst. »Sie ist immer auf diesen Botschaftsempfängen, wo derartige Gerüchte als Erstes auftauchen.«
Ihr Seebarsch kam. Der Kellner präsentierte ihnen das in Salz gehüllte Gericht und stellte es dann auf einem Nebentisch ab, um den Fisch zu filetieren und zu servieren.
»Dann muss ich mich wirklich bei ihr bedanken, Ramiro«, sagte Hadley. »Du musst sie unbedingt nach Salamanca mitbringen.«
»Schön, das zu hören, alter Junge – wie ich schon sagte, sie fragt immer nach euch.«
»Hat sie dir die Namensliste angeboten, Ramiro?«, versuchte Mercedes möglichst unschuldig zu fragen.
Ramiro richtete sich auf, erleichtert, etwas Positives zur Unterhaltung beitragen zu können. »Eigentlich … war das
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