Codename Azteke
bislang hatte er die Schüsse noch nicht erklärt.
»Wir gehen jetzt«, befahl er. »Packen Sie Ihre Sachen zusammen, schnell!«
Er ging auf den Balkon, um sich umzusehen, dann sprach er erneut in kurzen, scharfen Sätzen mit Goran, während Hadley und Mercedes eilig ihre Sachen in die beiden Taschen packten.
Schließlich gingen sie zum Parkplatz, wo sie ein keuchender Goran erwartete. Von Brako keine Spur. Klejevic redete mit dem Paar an der Rezeption, das stumm zusah, wie zwei
ihrer Gäste mit ihrem Gepäck zur Tür hinausmarschierten, ohne ihre Rechnung zu bezahlen, und sagte erneut etwas auf Serbisch, das anstandslos akzeptiert zu werden schien.
Hadley schloss daraus, dass Klejevic in diesem Land irgendeine offizielle Funktion innehatte. Das würde auch erklären, warum seine Männer unbesorgt bewaffnet in einem Auto sitzen konnten.
Ein Stück weiter unten am Hügel in Richtung Sankt Stefan sahen sie Brako. Er stand mit der Uzi in der Hand auf dem Gehweg neben dem Körper eines Mannes in dunkler Jeans und mit grünem T-Shirt. Auch eine Pistole lag auf dem Gehweg. Brako trug einen auffälligen Ausweis an einem Band um den Hals, und die wenigen Zuschauer, die sich um die beiden versammelt hatten, hielten respektvoll Abstand.
Mercedes hob die Hand vor den Mund, um einen entsetzten Schrei zu unterdrücken. Goran, der jetzt fuhr, hielt nicht an.
»Wer war das, Ivo?«, fragte Jack.
»Das wissen wir noch nicht«, bekam er unverbindlich zur Antwort.
»Hatte er denn keine Papiere bei sich?«, hakte Hadley nach. Wenn jemand ihm oder Mercedes etwas antun wollte, dann wollte er das verdammt noch mal nicht einfach abtun, ohne wenigstens zu fragen, wer der Kerl eigentlich war.
»Doch. Er war Ausländer.«
»Ach ja?« Jack war verwirrt.
»Er hatte einen mexikanischen Pass in der Tasche. Wenn der Pass echt ist, haben wir einen Namen. Keine Adresse, keine Berufsangabe, keine Erklärung, warum er hier war – in Montenegro oder in Ihrem Zimmer –, und keine Ahnung,
wer ihn geschickt hat und warum. Aber«, sagte Klejevic, ohne den Blick vom Rückspiegel zu nehmen, »ich versichere Ihnen, dass wir das herausfinden werden.«
»Warum mussten Sie ihn erschießen?«, wollte Mercedes wissen.
Klejevic schwieg einen Augenblick, dann drehte er sich langsam zu seinen Fahrgästen um.
»Man hat ihn aufgefordert, stehen zu bleiben, und er ist weitergelaufen.« Klejevics gemessener Tonfall ließ vermuten, dass er dies nur einmal sagen würde, und das auch nur deshalb, weil seine geschätzten Gäste Freunde des Azteken waren. »Er wurde ein zweites Mal gewarnt, doch da zog er seine Waffe und schoss auf Brako. Also mussten wir ihn aufhalten. Es ist schlimm, dass er sterben musste«, fügte er hinzu, als er sich langsam wieder nach vorn wandte.
Doch Hadley war nicht ganz davon überzeugt, ob er die letzte Bemerkung ernst gemeint hatte.
Mittlerweile fuhren sie in rasender Fahrt zum Flughafen Tivat. Doch kurz davor bogen sie auf die Autobahn zur kroatischen Grenze ab. Klejevic bemerkte die fragenden Blicke seiner Passagiere.
»Es gibt keinen direkten Flug von Tivat aus«, erklärte er.
Sie passierten die Grenze ohne Schwierigkeiten, und ihr Fahrzeug wurde nicht durchsucht. Klejevic sprach gebieterisch mit einem uniformierten Beamten, woraufhin dieser sie durchwinkte.
Am Flughafen von Dubrovnik blieb Goran im Auto sitzen, und Klejevic brachte seine Schützlinge ins Passagierterminal. Es gab zwar an diesem Abend keine direkten Flüge nach Spanien, aber vierzig Minuten später sollte einer nach Wien gehen, mit dem sie einen Anschlussflug nach Madrid bekommen
konnten. Hadley bezahlte die Tickets, und Klejevic brachte sie am Zoll vorbei.
»Werden wir es je erfahren?«, fragte Hadley, bevor sie sich verabschiedeten. »Wer der Mann war, meine ich.«
»Ich werde es Jesús erzählen«, versicherte ihm Klejevic, doch Hadley spürte, dass ihn etwas beunruhigte.
»Wissen Sie, Mercedes«, wandte er sich an sie, vielleicht, weil er zuvor so schroff gewesen war, als sie die Notwendigkeit, den Mexikaner zu töten, in Frage gestellt hatte, »die Zeiten sind nicht leicht in Montenegro. Es gibt viele Menschen, die uns schaden wollen. Aber die Unabhängigkeit ist in greifbarer Nähe, und anders als einige unserer Nachbarn werden wir sie auf friedliche Weise bekommen. Und bis dahin werden wir es nicht zulassen, dass wir auch nur im Mindesten daran gehindert werden.«
Allerdings erzählte Klejevic nicht alles, was er wusste: dass der mexikanische
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