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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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Partisans« Alarm so lange pfeifen, bis das Lied oben im Hauptquartier angekommen war.
    Eines Tages standen hinter einer Kurve schwer bewaffnete und finster blickende Männer, allerdings keine Deutschen, sondern eindeutig Franzosen der Résistance, hielten den Bus an, schickten die Passagiere raus auf die Straße und fuhren ihre Beute in den Wald. Dieser Bus wurde Nancy Wakes Appartement. Es war nicht besonders bequem, aber sie war für sich. Zwischen Bäumen und dem Busdach spannte sie Leinen, hängte Zeltplanen darüber, besaß somit einen Waschraum unter freiem Himmel und war, wie sie glaubte, vor fremden Blicken geschützt. Alsop ließ sie in dem Glauben.
    Das ungewöhnliche Badezimmer spielte bei einem merkwürdigen Fest eine große Rolle. Agentin Hélène, auch den kulinarischen Genüssen des Lebens getreu ihrem Motto »Esst, trinkt, morgen können wir schon tot sein!« stets zugeneigt, sogar jetzt unter schwierigen Umständen und erst zuletzt bewiesen, als sie sich auf der Suche nach dem Funker erst einmal ein gutes Mittagessen samt Wein gegönnt hatte, plante Alsop und Reeves zu Ehren einen Empfang im Wald. Auch im Hinblick auf den nach der alliierten Landung bevorstehenden Sieg gegen die Nazis, von dem alle überzeugt waren. Sozusagen ein verfrühtes Santé auf die baldige Befreiung Frankreichs.
    Unglaublich: ein Festmahl dreckiger, unrasierter Männer, stets bedroht von deutschen Truppen, mitten im Wald, serviert auf Holzstämmen, diese bedeckt mit Betttüchern, acht Gänge, beste Rot- und Weißweine, eine improvisierte Lichterkette in den Bäumen, die den nötigen Strom aus den Batterien der Funkgeräte saugt, Toasts von den Franzosen auf die Engländer, von den Engländern auf die Franzosen, von Franzosen und Engländern auf die beiden Bazooka-Profis und von den Amerikanern auf die Résistance, von allen gemeinsam feierlich auf die Freiheit und den Sieg und natürlich auf die einzige Frau am Tisch.
    Ein besonderer Trinkspruch gilt Capitaine Henri Tardivat, der das alles so hervorragend organisiert hat. Den Koch ließ er aus einem Hotel in Cosne-d’Allier entführen. Der wäre auch freiwillig mitgekommen, weil er mit der Résistance sympathisierte, aber falls etwas schiefging, konnte ein vorgetäuschtes, jedoch echt wirkendes Kidnapping für ihn lebensrettend sein. Fleisch und Brot und Käse und Betttücher spendeten Bauern, Alkohol kam aus dem Keller eines Weinhändlers. Sogar ein Trinkspruch auf die Deutschen war dabei, weil die das Fest nicht durch eine Attacke störten. Dabei dürfte die Gesellschaft bereits ein wenig angetrunken gewesen sein.
    Im verklärenden Rückblick mag wahrscheinlich einiges zum Festprogramm hinzugedichtet worden sein, beispielsweise das in Anbetracht der Umstände kaum vorstellbare Acht-Gänge-Menü. Selbstverständlich wird die Party in den an Special Operations Executive übermittelten Berichten nicht erwähnt, aber dass es ziemlich hoch hergegangen sein muss, lassen nicht nur die nachgereichten Erzählungen von Nancy Wake getreu ihrer Überlebensart «We just laughed all the way through the war. What else could we do?«vermuten. Denn ein im Morgengrauen von Roland gemorster Funkspruch klang zwar nach einer geheimen Botschaft, war aber in Wirklichkeit nur seinem schweren Hangover geschuldet: »Andrée had a horse in the bathroom.«
    Was gemeint war mit diesem Satz, welche geheime Botschaft hinter dem Pferd im Badezimmer von Hélène alias Andrée womöglich steckte, konnte man in London nicht entschlüsseln. In der Tat gehörte ein echtes Pferd zur Truppe, in der Tat gab es direkt an Nancy Wakes Schlafplatz jenen Waschplatz unter Zeltplanen. Der Hengst aber war ihr allenfalls im alkoholumnebelten Traum erschienen, wovon sie Roland erzählte. Der war wohl ebenfalls noch nicht ganz nüchtern, als er ihre Geschichte für bare Münze nahm und nach London durchgab. Falls ein deutscher Lauscher die Nachricht abgefangen hatte, was anzunehmen war, dürfte der sich ebenfalls gefragt haben, was mit dem Pferd von Andrée wohl gemeint war und für welche Aktion es als Codewort stand.
    Der Aufruf zum Aufstand nach der Invasion wurde nicht nur von den in den Wäldern versteckten Maquisards befolgt. Starke bewaffnete Einheiten der Résistance belagerten Tulle, Hauptstadt des Département Corrèze, und erklärten den Ort, nachdem sich ein deutsches Regiment nach schweren Kämpfen um die Munitionsfabrik, die es bewachen musste, ergeben hatte, zur freien Stadt. Die berüchtigte 2 . SS

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