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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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Anschlag, der in ihrer Umgebung passierte, sie dafür büßen mussten. Weil sich die SS zur Abschreckung und als Vergeltung aus dem nächstgelegenen Ort wahllos Zivilisten griff und die exekutierte.
    Die Nacht, in der sie einem SS -Mann das Genick bricht, beginnt Nancy Wake kriechend auf dem Bauch. Wie sie robben Dutzende von Männern langsam geräuschlos an die Raffinerie von Mauriac heran. Sie soll heute Nacht in die Luft gejagt werden. Die Fabrik zur Herstellung technischer Geräte, mit denen sich Rohstoffe wie etwa Erdöl veredeln lassen, Raffination genannt, steht auf der geheimen SOE -Liste in Hélènes Handtasche. Ihre vier Fabriktore sind verschlossen. Durch ihre Kontakte mit der französischen Arbeiterschaft wissen die Angreifer, dass die deutschen Wachen regelmäßig einen Rundgang um das Fabrikgelände machen und deshalb in dieser Zeit die Tore kurzfristig unbewacht sind. Die wenigen Minuten wollen sie nutzen, um sich an den Toren zu verbergen und die Wachen bei deren Rückkehr unschädlich zu machen. Danach in die Fertigungshallen eindringen, Sprengladungen mit Zeitzündern anbringen, sofort abhauen und bereits wieder in sicher Entfernung sein, wenn die Fabrik in die Luft fliegt. Die Nachtschicht ist eingeweiht und wird sich rechtzeitig in Sicherheit bringen.
    Dass Hélène Männer befehligt, wäre noch vor Wochen undenkbar gewesen. Die Maquisards hätten sich schlicht geweigert, erstens von einer Frau Befehle entgegenzunehmen, zweitens von einer Ausländerin. Seit der 72 -Stunden-Radtour und wegen der Entschlossenheit, mit der sie ohne zu zögern beim gescheiterten Überfall auf die Militärlastwagen das Kommando übernommen und ihre Männer, die Franzosen wie die beiden Amerikaner, sicher ins Feldlager zurückgebracht hatte, stellt aber keiner mehr ihre Fähigkeiten infrage. Nancy Wake und ihre Gruppe sind von Colonel Gaspard und Major Farmer eingeteilt worden, an einem der vier Tore die beiden deutschen Wachen auszuschalten, wobei es nur darum geht, sie niederzuschlagen, nicht sie zu töten. Auf diesen Kompromiss hatten sie sich bei der Planung geeinigt. Sabotage ja, aber es sollte kein Soldat dabei sterben, um die Bevölkerung der Stadt vor dann zu erwartender Vergeltung zu schützen.
    Anfangs geht alles nach Plan. Sie schleichen sich geräuschlos im hohen Gras an. Sobald sie den Kopf heben, sehen sie die deutschen Wachen mit ihren geschulterten Gewehren. Nancy hat angeordnet, dass erst auf ihr Zeichen hin losgeschlagen werden darf. Geduldig warten sie den Moment ab, in dem die beiden in verschiedene Richtungen marschierend ihren Rundgang beginnen, und messen die Zeit, die sie dafür brauchen. Sobald die zur zweiten Runde aufbrechen, verstecken sie sich in der Nähe des Tors, um die Soldaten bei der Rückkehr dann zu überwältigen. Es muss schnell gehen. Schon ein Schrei, erst recht ein Schuss, würde die anderen Wachen alarmieren. Dann wäre die Aktion gescheitert.
    Sie lauern im Schatten. Der erste Soldat wird hinterrücks niedergeschlagen und sinkt lautlos zu Boden. Nancy hat sich bis auf einen Meter an den anderen herangeschlichen. Bereit zum Handkantenschlag in seinen Nacken, der ihn bewusstlos machen wird – so wie es ihr die Ausbilder beigebracht hatten. Plötzlich dreht sich der Mann zu ihr, öffnet den Mund, um zu schreien, greift nach seinem Gewehr, will es von der Schulter nehmen, aber kommt nicht mehr dazu. Nancy Wake reagiert automatisch genau so, wie sie es beim Nahkampftraining von den beiden Spezialisten gelernt hatte. Sie springt einen Schritt vor und rammt in derselben Bewegung ihren Vorderarm in seine Kehle, was seinen Schrei ersticken lässt, dreht ihn mit einem weiteren schnellen Griff so, dass sein Kopf praktisch auf ihrer Brust ruht und bricht ihm dann mit einem Ruck das Genick. All dies geschieht innerhalb von wenigen Sekunden. Das kaum hörbare leise Knacken könnte auch von einem abgebrochenen Ast stammen.
    Der Tote gleitet zu Boden. Sie lässt ihn liegen. Agentin Hélène, die lautlose Killerin, zittert am ganzen Körper. Klappert mit den Zähnen. Kann sich kaum noch aufrecht halten. Sie sieht ihre Männer durch das geöffnete Tor aufs Gelände laufen und beobachtet das alles wie Szenen aus einem Film, der nichts mit ihr zu tun hat. Rutscht langsam am Zaun neben dem Tor nach unten. Bleibt sitzen. Dann wird sie hochgerissen und rennt automatisch mit den anderen davon, bis alle weit genug entfernt sind. Sie wartet auf die Explosion und sieht, wie sich der Himmel rot färbt.

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