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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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Verleumdung bezeichnete. Er habe nicht etwa Hunderte von Unschuldigen ermorden lassen, Geiselmord befohlen, sondern nur kommunistische Partisanen getötet. Was eine Lüge war und nach der Klageablehnung durch den Richter auch öffentlich gemacht wurde: »Es ist nicht daran zu rütteln, dass damals ein ruchloser, jedem Recht und Gesetz hohnsprechender Massenmord begangen wurde.« Erst 1971 starb der angesehene Mitbürger Lammerding. Aber wenigstens musste er leiden. Er hatte Krebs.
    Das Massaker in Oradour, die Ermordung von insgesamt 642 Einwohnern, darunter 245 Frauen und 205 Kinder, mag zwar angesichts anderer Verbrechen der Deutschen, der Ermordung von Millionen Juden, des brutalen Wütens der »Herrenrasse« in den besetzten Ländern des Ostens, »nur« als eines von vielen Kriegsverbrechen erscheinen, wie sie immer wieder in Kriegen begangen wurden. Aber dass so etwas in Westeuropa geschah, im sogenannten christlichen Abendland, vermochten sich damals auch Vera Atkins und Maurice Buckmaster nicht vorzustellen, als ihnen an jenem Sonntag der Funkspruch mit der Nachricht aus Oradour gereicht wurde. Ein einziger Mann aus der SS -Mörderbande, die in Oradour Kinder und Frauen in Brand steckte, ist verurteilt worden.
    Von einem ebenso brutalen Einsatz deutscher Soldaten, von einem anderen Kriegsverbrechen, schreibt Pierre Tanant, der bei den Kämpfen in der sogenannten Partisanenrepublik, der République du Vercors , dabei war, in seinem Buch Vercors . Dörfer wurden niedergebrannt, die in einem provisorischen Lazarett des Maquis liegenden Verwundeten in ihren Betten erschossen, Zivilisten am nächsten Baum aufgehängt. Eine Gefangene, berichtet er, sei von 17 Deutschen vergewaltigt worden, danach wurde sie erschossen. Eine andere Widerstandskämpferin hätten die Deutschen wie ein erlegtes Tier ausgeweidet, während sie noch lebte, und die Sterbende dann, ihre inneren Organe um den Hals geschlungen, liegen lassen.
    Von dem, was in Oradour und in Tulle geschehen war, erfuhr Gaspard durch einen SOE -Funkspruch aus England, durch Berichte seiner Kuriere, durch die über BBC ausgestrahlten Nachrichten von Radio London. Er schwor Rache und seine Männer auf Vergeltung ein – egal, wen von den Deutschen oder der Milice es treffen würde. Nancy Wake unterstützte den Plan der beiden amerikanischen Offiziere, ab sofort gezielt den Gegner zu jagen und auszuschalten. Nicht in einer Schlacht zu stellen, nicht nur bei Gelegenheit in einen Hinterhalt zu locken, sondern ihm aufzulauern, wo auch immer er glaubte sicher zu sein. Fortan keine Gefangenen mehr zu machen, sondern sofort zu erschießen, schlugen die Franzosen vor. Aber das lehnten die US -Offiziere und Major Farmer mit Verweis auf die gültigen Bestimmungen der Genfer Konvention ab. Wer sich ergeben würde, hatte ein Recht auf menschenwürdige Behandlung. Die Wirklichkeit sah dann immer ganz anders aus, sobald Maquisards auf die verhassten Milizionäre trafen. Für die galt ihrer Meinung nach die Genfer Konvention nicht.
    Über die Strategie aber waren sie sich alle einig: Aktion statt Reaktion. Beim Überfall auf Gestapo-Führer Hugo Geissler war das mitten auf dem Marktplatz gelungen. Das Gegenargument, vorgetragen von Tardivat, daraufhin hätten aber doch mehr als hundert unschuldige Zivilisten büßen müssen und ob man solche Opfer verantworten könne, fand keine Mehrheit im Führungskreis. Im Krieg galten andere Gesetze. Und im Krieg waren sie nun mal. Immer sei es so gewesen in der Geschichte, dass es auch Unschuldige getroffen habe. Es ging um Frankreich. Das verlangte Opfer. Leider auch von denen, die befreit werden sollten.
    Ein Konflikt, mit dem alle Widerstandskämpfer in allen besetzten Ländern Europas leben mussten. Sabotageakte und Attentate gegen deutsche Soldaten hatten oft anschließend viele Unschuldige das Leben gekostet. Immer wieder war bei den Planungen diskutiert worden, ob dieser Preis nicht zu hoch war und im Namen welcher angeblich höheren Moral sie das verantworten konnten, ja, ob sie dadurch nicht selbst zu Schuldigen wurden. Viele der nicht entdeckten Attentäter oder Saboteure konnten das mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren und stellten sich. Das war ihr Todesurteil. Aber ihr Tod würde unschuldige Menschen vor diesem Schicksal bewahren. Dorfbürgermeister in Italien zum Beispiel hinderten die Partisanen daran, Deutsche zu überfallen, obwohl sie deren Kampf grundsätzlich unterstützten. Weil sie wussten, dass nach einem geglückten

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