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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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befanden sich da zwar noch fünfhundert Mann, aber aus Angst vor Überfällen angesichts der allgemein sich verschlechternden Gefechtslage verließen die nur noch im Konvoi ihre Festung. Aus umliegenden Häusern waren Bewohner in sichere Quartiere der Stadt evakuiert worden. Ihre Wohnungen hatten Scharfschützen des Maquis besetzt. Kaum öffnete sich ein Tor der Garnison, kaum tauchten da deutsche Soldaten auf, nahmen die Franzosen sie unter Feuer. Auch am Tag der Explosionen im Gestapo-Hauptquartier. Die Vergeltung für die Vergeltung der Vergeltung fand deshalb nicht statt.
    Major John Farmer handelte in den Tagen danach wie ein britischer Offizier. Er ließ von einem Kurier dem Kommandeur der Deutschen ein Ultimatum überbringen: »I demand the surrender of all German military forces and German civilians to me, and I guarantee your treatment as prisoners of war under the Geneva Convention.«Der Schlusssatz war ihm besonders wichtig. Er wusste, die Deutschen würden sich, falls überhaupt, nur einem Offizier der Alliierten ergeben, niemals einem des Maquis. Oberstleutnant Onesteck ließ ausrichten, er sei grundsätzlich bereit, das vom »Sous Präfekten von Montluçon des Chefs der brit. und amerik. Mission« übermittelte Ultimatum anzunehmen, wie der Leiter des Verbindungsstabs 786 , Epple, später protokollierte. Aber die beiden Stellvertreter von der SS verweigerten ihm den Gehorsam. In ihrer Welt galt die Parole, dem »Führer« treu bis in den Tod zu sein und niemals zu kapitulieren.
    Farmer befahl, die Zufuhr von Wasser und Strom in die Garnison zu unterbrechen. Telefonleitungen waren eh bereits gekappt worden. Der Kommandeur bat die Gegner um drei Stunden Waffenruhe, um die Toten und die schwer verletzten Soldaten zu bergen, die auf der Straße im Schussfeld der Scharfschützen lagen. Das wurde gestattet. Danach zogen sich die Belagerten wieder in ihre Festung zurück. Am anderen Morgen wurden sie von einer motorisierten und schwer bewaffneten deutschen Einheit – laut Hubert hatte die über zweihundert Fahrzeuge dabei – befreit und im Eiltempo aus der Stadt gebracht.
    Die einzelnen Gruppen des Maquis sind sich zwar einig im Kampf gegen die Boches, aber untereinander nicht immer wohlgesinnt. Zu verschieden ihre politischen Prägungen. Kommunisten und Gaullisten zum Beispiel misstrauen sich gegenseitig grundsätzlich, andere erleben neidvoll, wie professionell die Aktionen ablaufen, bei denen die beiden Amerikaner oder der Brite oder ein erfahrener Offizier der französischen Armee wie Henri Tardivat das Kommando übernommen haben.
    Soll man jetzt also einfach nur warten, bis die Deutschen mit neuen Kräften zurückkommen und die Jagd auf die Attentäter beginnen? Major Farmer trifft eine Entscheidung. Die Eifersüchteleien stören beim Kampf. »I decided that it was better for me to form a group of my own. This would avoid various Maquis groups being jealous of one another, because the English were with them.« Er gründet also eine eigene Gruppe und beschlagnahmt dafür ein leerstehendes, vergammeltes kleines Schloss, etwa zwölf Kilometer von Montluçon entfernt.
    Das bezieht er mit 25 ehemaligen Vichy-Gendarmen, die angesichts des sich abzeichnenden Sieges der Alliierten und der Niederlage der Pétainisten noch rechtzeitig übergelaufen sind, mit Alonce und mit Samson und Roger und Roland, um weitere Aktionen vorzubereiten, »to have this group as a model in ambush and demolition work for other maquis group commanders to learn from«. So wörtlich, dass er denen beibringen wolle, wie man Überfälle und Sabotageakte durchführt, sagt er es jetzt allerdings nicht. Das könnte als Beleidigung der stolzen Franzosen verstanden werden. So begründete er den Rückzug aber in seinem offiziellen Bericht an seine britischen Vorgesetzten.
    Das Château de Fragne gleicht mehr einem heruntergekommenen Herrensitz als einem Schloss: unbewohnt, verfallen, dreckig. Es gibt weder Strom noch fließendes Wasser. Der Besitzer hat es angeblich vor 27 Jahren noch während des Großen Kriegs verlassen und soll nie mehr zurückgekehrt sein. Aber das Dach ist dicht, und es regnet nicht rein. Es liegt abgelegen von der Straße. Niemand interessierte sich für die Schlossruine. Noch nie hatten sich Besatzer hier blicken lassen. Warum sollten die auch? Sie konnten sich bis jetzt in der Stadt nehmen, was sie wollten, und, falls ihnen auf dem Land ein Château gefiel, dessen Besitzer vertreiben und sich dort ungeniert

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