Codename Hélène
nehmen auf irgendwelche Staatsgeheimnisse, all jene an, die damals über ihn und seine Agenten hergefallen waren: »It has been suggested that women agents should never have been sent, that they were forced to undertake missions to which both by temperament and by nature they were unsuited and in physique and spirit inadequate. The dead cannot be revived by such accusations, they can only be dishonoured.«
Die Behauptung, dass Frauen aufgrund ihrer Natur und ihres Temperaments niemals hätten nach Frankreich geschickt werden dürfen, dass sie zu Einsätzen gezwungen worden waren, für die sie aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Eigenschaften von Natur aus nicht geschaffen seien, komme einer Entehrung der Toten gleich, empörte er sich. Er empfinde nichts als Zorn und Verachtung für jene, die an Tapferkeit und Kampfbereitschaft jener Agentinnen zweifelten, die so vieles ertragen hatten im Krieg, mehr noch: die für ihr Land gestorben seien wie »Violette Szabo, Noor Inayat Khan, Denise Bloch oder überlebten wie Lise de Baissac oder Nancy Wake«. Alle seien bestens geeignet gewesen für ihre Aufgaben, waren bestens ausgebildet und für den Einsatz ausgestattet worden, alle hatten sich freiwillig gemeldet, und keine sei etwa dienstverpflichtet worden. Alle gemeinsam zeichnete ihr unbeugsamer Mut aus.
Und erst Jahre nach Auflösung der ab 1946 im Frieden nicht mehr benötigten Organisation SOE erfuhr die britische Öffentlichkeit, dass während des Kriegs etwa siebentausend Männer und Frauen Winston Churchills Auftrag, Europa in Brand zu setzen, theoretisch oder praktisch befolgt hatten: in Trainingslagern, in den Labors der Tüftler, wo spezielle Waffen für den Guerillakampf entwickelt wurden, als Fluchthelfer für abgeschossene Piloten, als Spione in Deutschland, als Anführer von Widerstandskämpfern in besetzten Staaten, als Saboteure, die Depots sprengten und Nachschublinien der Wehrmacht oder wichtige Betriebe zerstörten, als Kuriere in geheimer Mission. Zusammen mit den Ausbildern und dem für den Betrieb von über achtzig SOE -»Herbergen«, verteilt auf der ganzen britischen Insel, notwendigen Personal standen 1944 rund vierzehntausend Frauen und Männer auf der Payroll von Special Operations Executive , die offiziell nach der Kooperation mit den Amerikanern dann nicht mehr SOE hieß, sondern SOE / SO .
Vierhundertachtzig der im Dienstjargon »Studenten« genannten Agenten waren britische Staatsangehörige, siebenhundertsechzig kamen vom amerikanischen OSS ( Office of Strategic Services ), das mit seinen Special Operations ( SO ) ebenso wie SOE im Geheimen agierte. Zwischen dem ersten Einsatzbefehl und dem letzten wurden insgesamt 71 2 40 Container mit Material und Waffen abgeworfen und 1202 Agenten zur Unterstützung der nationalen Widerstandskämpfer ins Feindesland geschickt. Für die Finanzierung des Schattenkrieges zum Beispiel in Frankreich sind bis Kriegsende laut Aufstellung der Buchhalter in London 316 947 000 Francs, umgerechnet etwa anderthalb Millionen Pfund, vom Schatzministerium für Special Operations Executive bewilligt worden.
Die Mehrzahl aller Agenten jedoch stellten Flüchtlinge oder Emigranten aus den Nationen, die von den Deutschen besetzt worden waren. Sie waren besonders motiviert, weil es nicht nur grundsätzlich gegen die verfluchten Nazis ging, sondern um die Befreiung ihrer Heimatländer – Griechenland, Norwegen, Frankreich, Dänemark, Holland, Luxemburg, Belgien, Polen, Tschechoslowakei, Jugoslawien, im letzten Kriegsjahr auch noch um Ungarn oder Italien.
Die von SOE ausgebildeten Agenten Jozef Gab č ík und Jan Kubiš zum Beispiel waren es, die am 27 . Mai 1942 Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamts und eiskalter Organisator des Holocaust, bei einem Attentat in der Nähe von Prag so schwer verletzten, dass er kurz darauf starb. Weil ihre Maschinenpistolen, britische Brens, eigentlich todsichere Waffen, im entscheidenden Moment eine Ladehemmung hatten, schleuderten sie Handgranaten auf ihr Zielsubjekt.
Danach flohen sie. Es begann eine gnadenlose Menschenjagd. Mögliche Mitwisser wurden gefoltert, dabei ein Junge mit dem abgeschnittenen Kopf seiner Mutter konfrontiert, den ihm die uniformierten Mörder in einem Glasbehälter präsentierten und so sein Schweigen brachen. Schließlich wurden die Attentäter in ihrem Versteck, einer Kirche, von der SS entdeckt, begingen aber Selbstmord, bevor die Soldaten sie überwältigen konnten. Als Vergeltung
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