Codename Hélène
eingebunden in die Abteilung Geheimdienst, am Aufmarsch teilnehmen durften. Es dürfte der erste und der letzte öffentliche Auftritt von Special Operations Executive gewesen sein. Erkennbar als Agenten waren sie selbstverständlich nicht, nur das kleine Abzeichen eines Fallschirms auf ihrem Kragenspiegel deutete darauf hin, dass es sich um außergewöhnliche Einheiten handeln musste. Sie fuhren in der Kolonne auf der von jubelnden Menschen gesäumten Mall entlang, nahmen wegen des quälenden Nachdurstes dankbar immer wieder ihnen gereichte gefüllte Biergläser entgegen, salutierten wie all die anderen Truppenteile vor König George VI . und der königlichen Familie am Marlborough Gate und gingen dann zum Tanz durch die Nacht in die Parks der Stadt. »It was a wonderful day«, notierte Nancy Wake, verwitwete Fiocca.
Zwei Wochen später war die Abteilung Special Operations Executive Geschichte. Wie beim Ende des Maquis in Frankreich wechseln auch in England spezielle Schattenkrieger unauffällig zurück in ihr ziviles Leben. Nancy Wake hat kein ziviles Leben, es wartet niemand auf sie. Möglicherweise erlebte Affären in den Zeiten des Schreckens, eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich, eben weil sie nie vergaß, auch ohne gefragt worden zu sein, Liebeleien zu dementieren, haben sich erledigt. In der Armée Secrète, der Geheimen Armee damals in Frankreich, blieb alles geheim. Was sie dagegen braucht, ist ein Job, von dem sie leben kann. Sie bewirbt sich im British Air Ministry. Ohne viel Hoffnung, übernommen zu werden.
Aber eine wie sie kann man als Attaché des Intelligence Department brauchen. Was allgemein nach einem besseren Sekretärinnenjob klingt, sind in den kommenden Jahren konkret Einsätze in Visaabteilungen der britischen Botschaften in Paris und Prag, zuständig für spezielle Fälle, die sich mit Vorschriften nicht vereinbaren lassen, aber in chaotischen Nachkriegszeiten insgeheim gelöst werden müssen. Neue Identitäten zu besorgen für Tschechen zum Beispiel, die von SOE im Untergrund gegen die Nazis gesteuert wurden und in der jetzt herrschenden kommunistischen Diktatur erneut gefährdet sind, weil sie dem angeblich imperialistischen Feind geholfen haben, der gestern noch ein Verbündeter war.
Drei Jahre nach Kriegsende wird auch Nancy Wake persönlich endlich für ihren Beitrag zum Sieg über die »Hunnen« geehrt. Vorgeschlagen worden war sie bereits kurz nach Kriegsende. Aber da sie nun mal nicht die Einzige auf den eingereichten Listen für die George Medal war, außerdem auch noch eine Frau, musste sie sich gedulden. Die George Medal , erster in jener Reihe von Orden, die ihr dann in den kommenden Jahren noch verliehen werden sollten, ist in der Rangfolge zwar hinter dem George Cross angesiedelt, doch da beide britische Orden nach George VI . benannt wurden, der sie im Januar 1941 auf Vorschlag von Winston Churchill erstmalig verlieh, sind beide hoch angesehen und aller Ehren wert.
Ensign Nancy Grace Augusta Wake wurden die aufgrund ihrer »außergewöhnlichen Tapferkeit« zuteil. Geprägt mit dem Porträt Seiner Majestät, wurde ihr die Medaille an die Brust geheftet. Die Zeremonie fand im April 1948 in Paris statt. Der britische Botschafter Sir Oliver Harley vertrat König und Vaterland, denn Winston Churchills Geheimabteilung Special Operations Executive , in deren Namen und Auftrag sich Nancy Wake als Agentin Hélène so verdient gemacht hatte, war ja bereits aufgelöst. Nachdem der Feind besiegt worden war und die von den Nazis besetzten Länder wieder frei waren, brauchte es die Firma nicht mehr, die als einziges Geschäftsmodell Sabotage, Spionage & Attentate anbot und damit zur Niederlage der Nazis entscheidend beitrug.
Im ersten Satz der Begründung für den Orden, die der Ambassador von einem Blatt ablas, stimmte nicht mal das Datum: »The officer was parachuted into France 1 st March 1944 as assistant to an organiser who was taking over the direction of an important circuit in Central France.« Bekanntlch waren sowohl Major John Farmer alias Hubert als auch Nancy Wake alias Hélène am 29 . April in Frankreich angelandet. Danach habe sie über »mehrere Monate«, was stimmte, dabei geholfen, Gruppen des Maquis zu schulen an Waffen und sie zu trainieren in Taktik. Bei verschiedenen Auseinandersetzungen mit dem Feind zeigte sie »the utmost bravery«.Insbesondere erwähnte der Botschafter dabei ihre außergewöhnliche Tapferkeit in jener Situation, als sie kühl entschlossen
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