Codename Hélène
statt, wird bis zum Sieg der Alliierten und der Kapitulation der Deutschen am 8 . Mai 1945 von den regulären Armeen ausgetragen. Noch einmal ist Nancy Wake aber als Hélène unterwegs. Sammelt für einen letzten Report alle Informationen über das einstige Netzwerk Pat O’Leary und meldet sich dann, nunmehr für immer Abschied nehmend von Marseille, im Hauptquartier der Briten im Palais Royal in Paris. »It is proposed that she should be sworn out and receive financial clearance«, schlägt eine Dienstelle von FANY vor, wo sie offiziell registriert ist. Aber der Vorschlag wird abgelehnt. Man braucht sie doch noch. Ihre Dienstelle heißt jetzt Intelligence Department , und auch da sind spezielle Eigenschaften gefragt.
Der erste Spezialauftrag für eine besondere Mission gefällt ihr. Ist längst nicht so gefährlich wie jene, die sie in den vergangenen Monaten bestanden hatte, aber speziell ist die Mission denn doch. Im Offizierskasino mangelt es den englischen Kampftrinkern an dem, wofür sie Frankreich seit jeher liebten: an Champagner. Der ist selbst auf dem Schwarzmarkt nicht in den Mengen zu bekommen, die sie täglich schlucken. Man müsste einen Winzer finden, um direkt bei dem ausreichende Mengen zu kaufen. Ensign Wake fährt, begleitet von einem RAF -Offizier, zum Champagnerproduzenten Krug nach Reims. Krug ist eine von Kennern geschätzte Marke. Nancy Fiocca hat mit ihrem Mann Henri in Marseille nie eine andere Champagnersorte getrunken. Als der ihr damals im »Verduns« den Heiratsantrag machte, kredenzte der Wirt deshalb eine Flasche Krug. Die beiden »Agenten« kommen nach Paris zurück mit einer Jeep-Ladung besten Champagners. Mission erfüllt.
Aber die Vorgesetzten sind eher enttäuscht von der Akquisition. Von einem Champagner namens Krug haben sie noch nie etwas gehört. Die Marke Pommery zum Beispiel ist ihnen vertraut. Nancy Wake hält sich nicht lange mit Erklärungen der Unterschiede auf. In einem Restaurant tauscht sie Krug gegen Pommery, wofür sie die doppelte Menge an Flaschen bekommt, nimmt als Courtage vom Wirt das Angebot an, jederzeit Krug bei ihm trinken zu können, liefert die im Bartergeschäft errungene Beute im Kasino ab und lässt sich erneut feiern, weil sie die begehrte Hausmarke besorgt hat.
Die meiste Zeit verbringt sie nach Dienstschluss bei Partys, in Bistros, in den Nachtklubs, die weitermachen, als hätte sich seit dem Abzug der ihnen teuren Gäste, der Deutschen, nichts geändert im Programm. Eines Abends sitzt sie mit ihrer Freundin Kathleen Hampson im britischen Offiziersklub, in dessen Räumen es sich bis vor wenigen Wochen noch deutsche Offiziere wohlergehen ließen. Kathy studiert die karge Speisekarte, fragt immer wieder bei Nancy auf Englisch nach, welches Gericht sich hinter den ihr fremden französischen Bezeichnungen verbirgt. Nancy übersetzt. Der Kellner wartet auf die Bestellung und wird zusehends ungeduldiger. Flucht leise auf Französisch, dass es früher mit den Deutschen einfacher gewesen sei als jetzt mit diesen verdammten Briten. Nancy steht auf, erklärt ihm in wohlgesetzten Worten, was sie von ihm hält, und schickt ihn dann mit einem einzigen Schlag aufs Kinn ins Reich der Träume. Der Mann sinkt zu Boden. Danach setzt sie sich ruhig wieder an den Tisch, als wäre nichts weiter geschehen.
Der Geschäftsführer des Klubs, begleitet von einem Diplomaten der britischen Botschaft, nähert sich ihrem Tisch. Der Engländer wirft einen Blick auf den noch immer bewusstlos am Boden liegenden Kellner, dann einen auf Nancy Wake, packt umgehend den Franzosen beim Arm, dreht ihn und sich weg von den beiden Frauen und redet so laut, dass Nancy Wake alles verstehen und ihrer Freundin übersetzen kann. Der Kellner, sagt er sinngemäß zu dessen Chef, solle froh sein, dass ihn die Dame soeben nur k.o. geschlagen habe. Denn noch vor wenigen Wochen habe sie Deutsche gekillt, die wiederum so stark gewesen sind, dass sie aus seinem Angestellten Hackfleisch gemacht hätten.
Die größte gemeinsame Feier aller am Sieg über die »Hunnen« aktiv Beteiligten fand am 10 . Juni 1946 in London statt. Nancy Wake war dabei. Am Abend zuvor musste sie sich in einer der barracks melden, von denen aus am Morgen die Parade beginnen sollte. Sie traf in der Kaserne vertraute Freunde aus den SOE -Ausbildungscamps, und das Wiedersehen wurde entsprechend begossen. Anderntags stand sie trotz eines schweren Hangovers tapfer aufrecht in einem der vier Jeeps, in denen Agenten von SOE ,
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