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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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können: »Mütter unseres französischen Landes! Eure Aufgabe ist die anstrengendste, aber sie ist auch die schönste. In euren Händen liegt, noch vor dem Staat, die Erziehung. Ihr allein vermögt allen die Freude an der Arbeit, den Sinn für Disziplin, die Bescheidenheit, den Respekt zu lehren, woraus die gesunden Menschen und die starken Völker geschnitzt sind. Ihr seid die Spenderinnen unserer christlichen Zivilisation.«
    Die soziale Stellung von Frauen in der französischen Gesellschaft wurde bestimmt von Männern. Erlaubt war ihnen, was die erlaubt hatten. Das Vichy-Regime verbot zum Beispiel 1941 die Scheidung in den ersten drei Ehejahren. Abtreibungen wurden als »Verbrechen gegen die Staatssicherheit« bezeichnet und die Angeklagten hart bestraft, zwei sogar hingerichtet. Umso bewundernswerter, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Französinnen aus der ihnen zugewiesenen Rolle befreiten, als es um die Befreiung ihrer Heimat ging. Ohne die Tapferkeit und den Mut und die Klugheit und die Opferbereitschaft vieler Frauen wäre die Résistance gescheitert. Das vergaßen dann die meisten Anführer des Widerstands im nationalen Begeisterungstaumel des Sieges. Sie wurden aber daran erinnert, als in Frankreich nach dem Krieg endlich Frauen das Wahlrecht erhielten und ihre Stimmen nicht mehr überhört werden konnten.
    Am Rande der Alpen im Südosten des Landes durfte auch Benito Mussolini über ein Stück Frankreich herrschen. Bei diesen Besatzern ging es lockerer zu als bei den deutschen. Kontrolliert wurde selten. Es gibt dafür sogar einen fotografischen Beweis, aufgenommen 1941 in Nizza. Neben Nancy Fiocca stehen drei aus Internierungslagern entflohene britische Offiziere, natürlich in Zivil. Dahinter grinsen italienische Soldaten in die Kamera. Einer ihrer Kameraden war der Fotograf. Die Zivilisten bedankten sich bei ihm, machten sich dann wieder auf den Weg in Richtung spanische Grenze, und ihre Fluchthelferin Nancy Fiocca fuhr zurück nach Marseille.
    Dass dort die meisten der von ihnen Gesuchten lebten, wussten deutsche Dienststellen in Paris – Abwehr, Geheime Feldpolizei, Gestapo, SS . Ihre Erkenntnisse konnten sie aber erst dann in Taten umsetzen, in Razzien und Deportationen, als die Wehrmacht im November 1942 den vorgeblich freien Teil Frankreichs besetzte. Das Vichy-Regime Pétains ließ sich schon lange zuvor, noch frei in seinen Entscheidungen, im vorauseilenden Gehorsam und in Übereinstimmung mit dem Ungeist der Besatzer nicht lange bitten, sobald es gegen die Juden ging. Das passte den regierenden reaktionären Katholiken ins Weltbild, und auch dabei wussten sie die schweigende Mehrheit der Franzosen auf ihrer Seite.
    Antisemitismus hatte eine lange Tradition in Frankreich, im Etat Français ist er wenige Monate nach dem Waffenstillstand staatlich sanktioniert. Im sogenannten Judenstatut vom Oktober 1940 wird Pétain anordnen, dass Juden aus allen öffentlichen Ämtern zu entlassen sind. Schluss mit der »Verjudung« und »Vernegerung« der französischen Gesellschaft! Untersagt wurden ihnen folgende Berufe und Ämter: »Staatschef, Regierungsmitglied, Staatsrat, Nationalrat, Präfekt, Unterpräfekt, Polizeibeamter, Lehrer, Offizier, Geschäftsführer und Direktor aller staatlichen Betriebe – außer Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg –, Redakteur, Regisseur, Intendant von Theatern und Lichtspielhäusern …«
    Das entspricht in der Banalität des Bösen nicht nur der Sprache aus dem Wörterbuch des Unmenschen , sondern ist hinsichtlich der tödlichen Folgen auch so gemeint wie bei denen. Es passten nationalsozialistische Herrschaft, die von Paris ausging, und faschistische Kollaboration im Namen Pétains gut zusammen. Die Zukunft Frankreichs sah das Vichy-Regime in einem Großgermanischen Reich. Doch was von oben verordnet wurde, kam unten nicht überall wie gewünscht an. In einem mit »geheim« abgestempelten Dokument des Reichssicherheitshauptamts, betitelt Nachrichten aus dem unbesetzten Frankreich , hieß es: »Die Bevölkerung wurde durch das Einwerfen der Scheiben sämtlicher großer jüdischer Warenhäuser in Marseille […] auf die Dringlichkeit der Judenfrage hingewiesen.« Was aber die Bevölkerung »aus Feindschaft zu Deutschland« aufs Schärfste verurteilt habe. Die »Verjudung« in Toulon und Cannes sei außerordentlich stabil. Gewarnt wird weiterhin dringend vor einer Widerstandsgruppe mit dem Decknamen »Pimpernell« (benannt nach der fiktiven englischen Romanfigur

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