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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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»Scarlet Pimpernel): »Mit Hilfe besonders vertrauenswürdiger Mitarbeiter wird systematisch die Flucht von deutschfeindlichen Personen aus Gefangenenlagern und Konzentrationslagern gefördert […] auch im unbesetzten Frankreich. Soweit sie nicht bleiben können, erfolgt ihre Wegschaffung per Schiff. […] Die Pimpernellgruppe will insbesondere an der Befreiung bzw. Wegschaffung von Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann und Franz Werfel beteiligt gewesen sein.«
    Henri Fiocca war Mitte Juli nach Marseille zurückgekehrt, hatte die Uniform, wohl für immer, in den Schrank gehängt und sich wieder um die Geschäfte im väterlichen Schrotthandel gekümmert. Der Ambulanzwagen stand eingemottet in einer Garage. Auch der wurde nicht mehr gebraucht. Nancy, die ihn ein paar Wochen vorher fuhr, erzählte ihm von dem Schrecklichen, das sie erlebt hatte. Von den deutschen Stukas, die im Tiefflug über die Flüchtlingsströme rasten und wahllos in die Menge schossen, obwohl deutlich sichtbar war, dass es sich bei den Menschen um Zivilisten handelte. Sie töteten Männer, Frauen, Kinder. Madame Fiocca kann die Bilder von den Leichen auf den Straßen nicht vergessen und schwört, sich auf ihre Art zu rächen, wann immer sie dazu eine Chance bekommen würde.
    Die bietet ihr eines Tages der Mann, den sie zufällig in einer Hotelbar trifft. Mit ihm beginnt das neue Leben der Nancy Fiocca. Abenteuerlich und spannend war es bisher schon.
    Doch von nun an wird es gefährlich.

KAPITEL 2
    »Setzt Europa in Flammen«
    I m eleganten Foyer des Hôtel du Louvre et de la Paix saßen jetzt schon nachmittags Champagner trinkende Haufen von »Fridolins«. So wurden die Deutschen von den Kellnern abschätzig genannt. Noch mussten die sich höflich aufführen wie andere Gäste auch, noch konnten sie keine Befehle erteilen, noch sollten sie nicht in Uniform erscheinen. Selbst die uniformierten Besatzer im Norden hatten strikte Anweisung, sich zivil zu benehmen, höflich und freundlich aufzutreten. Zwar waren die Fridolins aufgrund ihrer Sprache hörbar als Deutsche zu identifizieren, aber Deutsch sprachen hier im »du Louvre« auch andere Deutsche. Die hatten vor denen, die sich bei steigendem Alkoholkonsum schon als Sieger zuprosteten, als würde ihnen bald die ganze Welt gehören, aus dem Land ihrer Väter fliehen müssen. In Marseille gestrandete Emigranten hatten kein Vaterland mehr.
    Obwohl der Westfeldzug schon nach wenigen Wochen im Juni 1940 mit dem Waffenstillstand endete, waren bis dahin bereits 90 0 00 Franzosen gefallen. Rund 1 , 6 Millionen Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft, womit die Deutschen überfordert waren. Wer sollte die ernähren? Wer sie versorgen? Wo die alle unterbringen? Viele der Älteren wurden deshalb nach Hause geschickt, die Jüngeren aber in der Rüstungsindustrie oder der Landwirtschaft übers Deutsche Reich verteilt eingesetzt, »Fremdarbeiter« genannt im Jargon der Nazis, in Wahrheit als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Laut Genfer Konvention war es verboten, höhere Offiziere unter den Gefangenen zur Arbeit zu zwingen, für einfache Soldaten oder untere Dienstgrade war es jedoch erlaubt.
    Die Besatzer machten später dem Pétain-Regime außerdem ein teuflisches Angebot, relève genannt, Ablösung, das auf den ersten Blick wie ein Akt germanischer Nächstenliebe aussah. Für 150 0 00 Facharbeiter, die, für einen angemessenen Lohn selbstverständlich, wie versprochen wurde, zum Einsatz nach Deutschland zögen, wären sie bereit, im Gegenzug 50 0 00 Kriegsgefangene nach Hause zu schicken. Trotz aller Appelle der Pétain-Regierung, diese relève sei eine nationale Pflicht fürs Vaterland, meldeten sich nur 19 0 00 Freiwillige. Woraufhin die deutschen Herren künftig das Problem des Fachkräftemangels auf ihre Art lösten und im Norden Frankreichs 250 0 00 Männer und Frauen zum Einsatz in der deutschen Industrie zwangen – bei Daimler-Benz, bei Volkswagen, bei der IG Farben, bei BMW , bei Siemens, bei BASF .
    Viele Franzosen gaben freiwillig lieber ihr bisheriges Leben, ihren Beruf, ihren Besitz auf, statt sich den Vorschriften der Sieger zu fügen, und zogen, mit dem Nötigsten im Koffer, aus dem besetzten Norden in den noch freien Süden. Dort hatten die Nazis offiziell keine Befehlsgewalt. Dort hingen noch bis in den Herbst 1942 hinein Flugblätter gegen die Deutschen und deren Verbündete deutlich sicht- und lesbar an Bäumen und Hauswänden, für deren Verfasser und Verteiler im anderen Teil Frankreichs

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