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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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zum D-Day 1944 , der alliierten Landung, gegen die Übermacht der Deutschen durchzuhalten. Ohne Frauen wie sie hätten die Netzwerke der Männer nicht funktionieren können. Die Historikerin Corinna von List zitiert in ihrem Buch Frauen in der Résistance 1940 – 1944 den Brief einer französischen Widerstandskämpferin, den die aus dem Gefängnis an ihre Eltern schrieb. Demnach war sogar der deutsche Staatsanwalt tief beeindruckt »vom Mut und vom Glauben und der Selbstverleugnung« der Frauen und bemerkte, dass »wir vielleicht nicht den Krieg im Juni 1940 so schnell gewonnen hätten, wenn unsere Soldaten ihnen gegenübergestanden hätten«.
    Pat O’Leary alias Albert-Marie Guérisse rekrutierte französische Kuriere, mit denen er sich in ihrer gemeinsamen Sprache bestens verständigen konnte, er besorgte das nötige Geld für die falschen Pässe, die Cole beschaffte, er suchte sich unter den abgetauchten britischen Offizieren die besten für den Krieg im Geheimen aus. Beschrieben wird Guérisse als Idealtyp für das Leben unter falscher Flagge. Getrieben von einem kalten Hass auf die Gestapo, deren Methoden er aus den Klagen derer kannte, die ihren Folterkellern entkommen waren, setzte er dennoch nicht auf verständliche, nachvollziehbare Emotionen im Kampf gegen die Bösen, sondern auf kühle List und Taktik. In der Öffentlichkeit fiel er nicht weiter auf. Klein, schlank, zerbrechlich, bewegte er sich wie eine Katze auf Samtpfoten, »like a cat on velvet paws«. Tauchte bei Verabredungen in Cafés oder Bars so unvermittelt auf, als wäre er geradezu aus dem Nichts dorthin gebeamt worden. Ebenso schnell war er nach den Treffen wieder verschwunden. Ob sich unter denen, die er traf, ein Spitzel befand, konnte er trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht wissen.
    Aber nicht von ihm, dem Militärarzt, stammt die Empfehlung, wie man Verräter in den eigenen Reihen so killt, dass niemand Verdacht schöpfen würde. Sondern vom anderen Mediziner, von Georges Rodocanachi. Eine Spritze mit einer massiven Dosis Insulin, erläuterte er seinen Untermietern, führe bei einem nicht unter Diabetes leidenden – und deshalb an Insulin nicht gewöhnten – Menschen zum Koma. Verabreicht in einer dunklen Ecke von Marseille und danach ein sanfter Stoß in eines der Hafenbecken, ergebe dies bei einer medizinischen Untersuchung der irgendwann auftauchenden Leiche die eindeutige Diagnose: natürlicher Tod durch Herzversagen. Auf diese Art wollten sie sich dann mal des Verräters Cole entledigen.
    Falls Rodocanachi nachts zu einem Notfall gerufen wurde, was im Übrigen eine ideale Tarnung bedeutete, wenn er in Wirklichkeit keinen Kranken, sondern einen Agenten des Netzwerks mit einer Botschaft von O’Leary treffen wollte, blieben Praxis und Wohnung verschlossen. Garrow und O’Leary war es verboten, bei etwaigem Klingeln an die Tür zu gehen und zu öffnen. Für ihre Aktivitäten brauchten Pat O’Leary und seine Helfer nicht nur starke Nerven und sichere Verstecke, sondern für die Versorgung mit Lebensmitteln auch Geld. Denn sie konnten sich nur auf dem Schwarzmarkt bedienen. Henri Fiocca ließ sich nie zweimal bitten. Andere halfen mit dem, was sie erübrigen konnten.
    Aber erst, als 1941 Agenten aus England anlandeten, entweder auf einem Fischkutter oder an einem Fallschirm, gab es Bares direkt vom britischen Schatzministerium. Churchill hatte bereits Ende Juli 1940 , wenige Wochen nach der Operation Dynamo und der Operation Catapult und ersten Angriffen deutscher Bombergeschwader auf London, eine Organisation gegründet, die so geheim war, dass selbst der britische Geheimdienst lange nichts von ihrer Existenz ahnte. Ihre offizielle, nichtssagende Bezeichnung lautete Special Operations Executive , abgekürzt SOE . Der Auftrag des Premierministers war eindeutig: »Set Europe ablaze« – Setzt Europa in Flammen! Zu den legendären Agenten der SOE gehörte dann auch Nancy Fiocca.
    Sie kannte Rodocanachi zunächst nur als angesehenes Mitglied der Marseiller Gesellschaft. Von Wilkins erfuhr sie über sein geheimes Leben in der Résistance, und bei ihm lernte sie Ian Garrow kennen. Wilkins bürgte für sie, Garrow vertraute ihr und bat sie deshalb, fortan Nachrichten nach Toulon oder Nizza oder Cannes für ortsansässige Fluchthelfer zu übermitteln. Andere Möglichkeiten, Kontakt aufzunehmen, als durch persönliche Begegnungen gab es nicht, denn telefonieren oder schreiben war zu riskant. Die Feinde hörten und lasen mit. In den Zügen

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