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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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und schrieb perfekt Französisch, hatte in den 20 er-Jahren als junger Reporter bei France-Soir gearbeitet, war bis Herbst 1939 bei einer Privatbank in Paris und der Europaabteilung des Autoherstellers Ford tätig gewesen. Er verstand also etwas von Recherchen und von Management und von Menschenführung. Bei Kriegsausbruch meldete er sich für das strategische Intelligence Corps der britischen Armee und wurde mit einem der letzten Schiffe im Juni 1940 von Dünkirchen aus nach England evakuiert. Seinen Fähigkeiten entsprechend bezog er bald ein Stockwerk in 64 Baker Street. Den internen Attacken im Geheimdienst und den Sticheleien von de Gaulles Stab begegnete er mit stoischer Gelassenheit. Seine Sorge und Fürsorge in den nächsten Jahren galten allein den ihm anvertrauten rund vierhundert Agenten in den achtzig Netzwerken Frankreichs.
    Der erste, am 5 . Mai 1941 von ihm per Fallschirm in den Einsatz geschickte Agent, der Franzose Georges Bégué, hatte sich zwar ungesehen in die Büsche zur Résistance schlagen können. Aber danach ging doch einiges schief. Die Berichte über das Verhalten der Amateure im Ernstfall schienen die Bedenken von MI 6 zu bestätigen: Ein anderer Agent war direkt auf einer Polizeiwache gelandet, womit seine Mission beendet war, bevor er sie antreten konnte. Ein SOE -Team samt Container mit Waffen und Funkgerät war 140 Kilometer entfernt von der eigentlichen drop zone abgeworfen worden, bei einem anderen Einsatz explodierten Handgranaten beim Aufprall und verletzten ausgerechnet jene, die sie dringend brauchten, und einmal wartete auf den mit Sir Winston nicht verwandten Agenten Peter Churchill fast die gesamte Bevölkerung des nächstgelegenen Dorfes: »Sie feierten wie Fußballfans, laut und fröhlich, als hätten sie soeben das Cup-Finale gewonnen.«
    Die Proteste blieben wirkungslos. Einzelne Pannen ließen sich nun mal nicht ausschließen, lautete die kühle Antwort des zuständigen Ministers. Insgesamt gilt, schreibt der britische Historiker Michael R. D. Foot, SOE als ein Erfolgsmodell im Guerillakrieg. »Despite some fearful mistakes, SOE ’s efforts had probably shortend the war by about six months« – trotz der fürchterlichen Fehler, die es in der Tat gegeben hat, ist es wahrscheinlich SOE zu verdanken, dass der Zweite Weltkrieg nicht noch weitere sechs Monate gedauert hat. Churchills Wunsch, mithilfe dieser Geheimagenten die Nazis in Europa aufzumischen, war keine Bitte des Premiers, sondern ein Befehl.
    Der offizielle Secret Service musste sich deshalb mit der Gefechtslage abfinden, mühte sich jedoch in berufstypischer Doppelzüngigkeit, wann immer es möglich war, den Einfluss von SOE zu begrenzen. MI 6 , zuständig für die Abwehr ausländischer Spione und für die Einsätze britischer Agenten im Ausland, so wie MI 5 für den Inlandsgeheimdienst, unternahm alles, um besondere Unternehmen, von deren Ausführung sie erfahren hatte, zu torpedieren und in Eigenregie zu übernehmen. Es ließ seine Erfolge leuchten und stellte die der anderen unter den Scheffel. Was denen bei SOE allerdings recht war, weil sie sich in der Tat als Schattenkrieger verstanden, ganz egal, ob im besetzten Frankreich oder in Griechenland, in Jugoslawien oder in Polen, in Norwegen oder in Belgien, in Dänemark oder in Nordafrika.
    Nancy Grace Augusta Wake ist eine der Frauen, deren Einsatz die Herren von MI 6 »disgusting«finden, unangemessen: 31 Jahre alt, britische Staatsangehörige, »married to Frenchman«, der noch in Frankreich lebt, kinderlos, zweisprachig, mit einem accent du midi , dem Akzent des französischen Südens, und einem kaum noch hörbaren englischen Akzent, wohnhaft 18 Bray House, 5 Duke of York Street. So stichwortartig formuliert steht es auf dem Deckblatt ihrer Personalakte mit den Beurteilungen ihrer Eigenschaften und Eigenheiten und Leistungen. In der Duke of York Street hatte Madame Fiocca ein kleines Appartement gefunden, vermittelt von der Immobilienfirma John D. Wood & Co. Kein Vergleich mit ihrer luxuriösen Wohnung in Marseille, aber in der jetzigen Situation für sie als Single ausreichend. Nancys Monatsmiete betrug zehn Pfund, acht Shilling, vier Pence. Sobald Henri in London eingetroffen sein würde, konnte man sich gemeinsam neu orientieren.
    Von ihrem Mann hatte sie seit ihrer Flucht nichts mehr gehört. Sie wusste nicht, ob er bereits unterwegs war Richtung England oder ob er sich noch in Frankreich versteckt hielt. Sie wartete auf ein Lebenszeichen. Zumindest

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