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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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würde sie durch die üblichen Kanäle informiert werden, sobald er Spanien erreicht hat. Von dort aus dürften ihm seine Handelsbeziehungen aus Friedenszeiten weiterhelfen. Wie gut die funktionierten, hatte Nancy ja selbst erfahren. Kurz vor dem Einmarsch der Deutschen im freien Süden Frankreichs hatte er, in weiser Voraussicht, aus Marseille zwei Schrankkoffer mit Garderobe für sie zu treuen Händen an die Agentur Thomas Cook in Barcelona schicken lassen, die sie bei ihrer Ankunft tatsächlich unversehrt vorfand. Inzwischen war wegen der strengen Kontrollen ein solcher kleiner Grenzverkehr zwischen dem besetzten Frankreich und dem neutralen Spanien unmöglich. Deshalb kaufte sie, vorsorglich wie er es in Bezug auf sie gewesen war, einen Schlafanzug und Wäsche und Schuhe. Sogar Champagner trieb sie auf. Henris Lieblingsgetränk. Die Flasche würden sie zusammen leeren auf eine hoffentlich bessere Zukunft.
    Seit Ende Mai 1943 lebt Nancy Fiocca in London. Ein Geschäftspartner ihres Mannes aus besseren Zeiten, Cohen & Co. in der Dover Street, hat ihr ohne zu zögern genügend Geld zur Verfügung gestellt, egal, wie lange es dauerte, bis ihr Mann eintreffen würde. Zu Henri Fiocca, der ein »big scrap iron business in the South of France«, einen Schrotthandel im Süden von Frankreich, betrieb, hatten sie bis zum Kriegsausbruch beste Beziehungen unterhalten. Sie kannte sich zwar aus in der Stadt, aber seit dem Aufenthalt kurz vor ihrer Hochzeit im September 1939 hat sich viel verändert. Das ist unübersehbar wegen der Brandruinen oder der nächtlichen Verdunkelung und unüberhörbar wegen des Geräuschs der einfliegenden Bomber oder des nervtötenden Geheuls der Luftschutzsirenen.
    Sogar St. Paul’s Cathedral und die Außenmauern des Buckingham-Palastes sind von Bomben getroffen worden, mehr als 20 0 00 Londoner haben ihr Leben verloren, Hunderttausende Wohnungen sind zerstört, und da es keine Luftschutzkeller gibt in der britischen Hauptstadt, nächtigen viele bei den Angriffen in den U-Bahn-Schächten. Die Stimmung in der Bevölkerung allerdings scheint, typisch britisch, dennoch gut. Eine Invasion der Insel ist nach Einschätzung von Generalstab und Kriegsministerium seit den blutigen Niederlagen der deutschen Wehrmacht in Stalingrad und El-Alamein nicht mehr zu befürchten. Vielmehr droht dem Feind ein Angriff von England aus, denn längst wird insgeheim von den Alliierten an Plänen für eine Landung in Frankreich gearbeitet, für die Operation Overlord .
    Die Royal Air Force trägt den Krieg bereits jetzt ins Feindesland. Nacht für Nacht fliegen Geschwader übers Meer ihre Angriffe auf deutsche Städte und Industrieanlagen. Bei der sogenannten Operation Gomorrha trifft es Hamburg. In der fürchterlichen Feuersbrunst, bis heute tief im kollektiven Bewusstsein der Stadt verankert, sterben 35 0 00 Menschen. Nicht immer landen die Bomben im eigentlichen Ziel. Die holländische Stadt Nijmwegen wird mit der deutschen Stadt Kleve verwechselt, achthundert Holländer verlieren ihr Leben. Ein anderes Mal regnet es Feuer vom Himmel auf die friedliche Kleinstadt Schaffhausen in der neutralen Schweiz. Die polnischen Piloten in der Royal Air Force hätten am liebsten Einsätze bis nach Warschau geflogen, um ihre Landsleute bei deren Aufstand im Ghetto gegen die deutsche Übermacht zu unterstützen. Für einen Flug hin und zurück reicht eine Tankfüllung aber nicht. Fünfzigtausend schlecht bewaffnete, todesmutige, verzweifelte Aufständische starben im Ghetto, die Überlebenden wurden in Konzentrations- oder Arbeitslager deportiert und dort ermordet.
    In den ersten Wochen nach ihrer Ankunft war die junge Frau mehr in Pubs zu Hause als zu Hause. So wie einst zehn Jahre zuvor, als sie, aus New York kommend, London für sich erobert hatte. Zahlen musste sie selten. Die ehemalige Fluchthelferin wurde von all denen eingeladen, die es so wie Leslie, Bob oder Ian ihr zu verdanken hatten, dass sie den Deutschen entkommen waren. Cheers, dear Nancy. Das unbeschwerte Leben nach Monaten der beschwerlichen Flucht brauchte Nancy Fiocca zur Erholung, es war wie eine Rekonvaleszenz nach überstandener schwerer Krankheit.
    Ab Mitte Juni fühlte sie sich wieder stark genug. Freund Wilkie vermittelte sie an die First Aid Nursing Yeomanry ( FANY ), das Freiwilligenkorps britischer Frauen, die verwundete Soldaten betreuten, Ambulanzfahrzeuge fuhren oder in Suppenküchen warmes Essen austeilten für Ausgebombte. FANY ist eine britische

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