Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
Vom Netzwerk:
schafften ihre Agenten das nicht mehr. Zwar wurden sie verhaftet, aber manche anschließend unter der Folter gezwungen, weiterzusenden. Diesmal aber das, was die Deutschen diktierten. Die Antworten aus England wiederum würden für die noch im Geheimen agierenden oder per Fallschirm bald erwarteten Agenten das Todesurteil bedeuten. Ein Einsatz war sogar einmal unmittelbar bei der Landung in Frankreich beendet. Das Absprungfeld war zwar durchgegeben und auch mit dem richtigen Code bestätigt worden, aber der SOE -Funker befand sich längst in den Händen der Gestapo und war von denen so lange gefoltert worden, bis er verriet, wie die Botschaft nach London verschlüsselt werden musste, um keinen Verdacht zu wecken. Als die Agentin landete, standen mit gezückten Waffen die Deutschen zum Empfang bereit. Das echte, das eigentliche Empfangskomitee von der Résistance, hatten sie an Ort und Stelle erschossen.
    Nicht gemerkt zu haben, dass die Nachricht vom Feind gemorst worden war statt von einem seiner wireless operators , verzieh sich SOE -Chef Maurice Buckmaster nie. Er war zwar dafür nicht persönlich verantwortlich, aber die Last der Verantwortung musste er tragen. Buckmaster ahnte, dass die Panne tödliche Folgen haben würde. Künftig wurde für den Einsatz aller Funker, und das waren viele, von der SOE ein besonderes Warnsignal vereinbart. Das konnte ein einzelner falscher Buchstabe in einem Wort sein, der wie ein Tippfehler aussah. Das konnte ein scheinbar zufälliger Dreher im Morsealphabet sein. Das merkten irgendwann wiederum die Deutschen und setzten statt der von ihnen Festgenommenen ihre eigenen Leute zum Morsen ein. Was aber auch den Briten nicht verborgen blieb. Sie nahmen ihren Agenten im übertragenen Sinne deren »Fingerabdrücke« ab, bevor die zum ersten Mal sendeten. Technisch kompliziert, aber einfach ausgedrückt funktionierte es so: Der Takt, in dem sie morsten und funkten und der bei jedem Menschen anders ist, so wie Fingerabdrücke bei jedem Menschen wieder andere Linien aufweisen, wurde gespeichert in Tonaufnahmen. Falls dieser Rhythmus nicht dem entsprach, den sie dann empfingen, wussten sie, dass am anderen Ende der Feind saß.
    Deshalb war der Vorschlag von Georges Bégué, der als erster Agent von Special Operations Executive 1941 mit dem Fallschirm über Frankreich abgesprungen war, eine simple, geniale Idee. Weltweit zu empfangen waren bekanntlich die Sendungen der BBC . Und die wurde eingesetzt als Funkstation. Botschaften drangen aus dem Äther, die sich für Normalhörer unsinnig anhörten und als persönliche Grüße von Angehörigen an die Männer an der Front angekündigt waren. Bei einigen besonderen Hörern lösten die dann bestimmte Aktivitäten aus, ohne dass sie selbst ihr Funkgerät bedienen mussten und aufgefallen wären.
    Nach der täglichen Ankündigung, hier spreche Radio London, die Stimme des freien Frankreich – »Ici Radio Londres, Les Français parlent aux Français« –, folgten Botschaften wie »Romeo umarmt Julia«, was zum Beispiel bedeutete, dass in der folgenden Nacht eine Lysander mit SOE -Agenten landen würde, oder »Die Hündin von Barbara hat drei Welpen geworfen« oder »Die Schlange mag keine Hammel« oder »Die Stimme des Kartoffelkäfers ist kaum hörbar« oder »Die Eule ist kein Elefant«. Die lauschenden deutschen BBC -Hörer ahnten zwar, dass mit solchen absurden Weisheiten etwas ganz Bestimmtes mitgeteilt wurde. Aber sie konnten nichts unternehmen, weil sie nicht wussten, wo Hammel und Schlange und Eule und Elefant und Kartoffelkäfer beheimatet waren oder saßen und was die nach Erhalt der Durchsagen unternehmen sollten.
    Sie spielten stattdessen auf zynische Art mit dem Gegner und verhöhnten Maurice Buckmaster und seine F-Sektion in ihrem »Englandspiel«, wie sie es nannten, immer dann, wenn es ihnen wieder mal gelungen war, eines seiner Netzwerke zu zerreißen. Zum Beispiel sendete der SD , also die Gestapo, einen tief empfundenen Dank für die großzügigen Lieferungen von Waffen und Munition und stellte heraus, wie sehr er es begrüßt habe, so wertvolle Tipps über Pläne und Aktionen in der letzten Botschaft aus London bekommen zu haben – »Many thanks large deliveries arms and ammunition […] have greatly appreciated good tips concerning your intentions and plans« – , woraufhin Buckmaster sofort antworten ließ, es täte ihm zutiefst leid, dass ihre Nerven nicht so gut seien wie die seinen, und freundlich darum bat, seinem Funker

Weitere Kostenlose Bücher