Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth
setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Etwas sehr Großes verdunkelte die Sterne direkt über ihrem Kopf. Es bewegte sich sehr rasch. Wie hatte sie nur genau unter den Bauch des Monsters geraten können?
Im Bruchteil einer Sekunde erfaßte sie, daß der schwarze Schatten überhaupt nicht die Doradus war, sondern etwas genauso Todbringendes. Es war viel kleiner und näher, als sie beim ersten Hinsehen angenommen hatte. Wenn sie den Umriß richtig gedeutet hatte, schwebte ein Selbstlenkgeschoß genau über ihr.
Sparta erstarrte auf der Stelle. Augenblicklich schaltete sie alle lebenserhaltenden Systeme und den Anzugfunk aus. Wenn sie sich nicht bewegte, und die Rakete vorbei war, bevor sie Luft schnappen mußte, bemerkte sie die Infrarotstrahlung ihres Raumanzuges vielleicht nicht.
Falls die Doradus die gleichen Selbstlenkgeschosse benutzte wie die Raumkontrollbehörde – eigentlich höchst geheime Waffen, die auf dem freien Markt nicht erhältlich waren –, dann hatten sie gewisse Grenzen. Im Gegensatz zu Torpedos hatten sie es auf kein bestimmtes Ziel abgesehen. Sie bewegten sich nur langsam und konnten auf der Lauer liegen, um programmgesteuerte Vorgänge aufzuspüren, das Zünden einer Steuerdüse, das Drehen einer Antenne, das Austreten von Atemluft – die Lebenszeichen im All. Ihr Hauptsinnesorgan war eine Videokamera. Erst wenn dieses Auge ein vorprogrammiertes Ziel eindeutig identifiziert, eine Bewegung entdeckt oder ein ungewöhnliches Kontrastverhältnis im Blickfeld ausgemacht hatte, richteten sich auch die anderen Sensoren auf das Ziel. Selbstlenkgeschosse waren nicht unbedingt das beste Mittel, eine Frau in einem Durcheinander aus Felsbrocken aufzuspüren – schon gar nicht, wenn die Frau sie zuerst sah.
Die Rakete flog unter kurzem Aufglühen ihrer Steuerdüsen weiter. Sparta schaltete ihre Luftversorgung wieder ein – jetzt konnte sie durchatmen.
Der Zwischenfall bestätigte ihren Verdacht, daß die Doradus mehr im Sinn hatte, als nur die Tafel wiederzufinden. Sie mußte Sparta als Zeugin ausschalten. Jetzt waren mehr Figuren auf dem Schachbrett und das Spiel war tödlicher geworden. Aber die Initiative lag immer noch bei ihr.
Die Rakete flog weiter und verschwand am Nachthimmel im Südosten. Da sie in dem Niedrigschwerkraftfeld auf einer fast geraden Linie flog, würde sie Phobos bald hinter sich lassen, es sei denn … Sparta ahnte, was jetzt passieren würde, und sie hatte sich nicht getäuscht. Wenige Augenblicke später sah sie den kurzen Feuerstoß aus den Steuerdüsen, und das Projektil kehrte in großem Bogen zurück.
Fast im selben Augenblick entdeckte sie ein weiteres schwaches Glühen im Südwesten. Sie fragte sich, wie viele dieser Höllenmaschinen im Einsatz waren.
Sie versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was sie über die Doradus wußte. Es gab nicht so viele Frachter im All, daß eine Inspektorin in ihrer Stellung nicht wenigstens die Grunddaten von allen kannte. Dazu brauchte man nicht einmal ihr besonderes Gedächtnis. Die Doradus war vor zehn Jahren auf der New-Clyde-Werft gebaut worden, einer der ältesten und angesehensten Schiffswerften im Erdorbit. Das einzig Ungewöhnliche an ihr war der für die damalige Zeit recht hohe Anteil von Treibstoffkapazität im Verhältnis zum Gesamtgewicht. Die Besatzung bestand aus zehn Personen, was ungewöhnlich viel war. Aber da die Doradus vor allem die aufstrebenden Siedlungen im Asteroidengürtel bedienen sollte, war es sinnvoll, einen Teil der Frachtkapazität einer höheren Geschwindigkeit zu opfern und die Mannschaft so weit aufzustocken, daß sie sich auch unter primitiven Dock- und Ladeverhältnissen alleine helfen konnte.
Sparta erinnerte sich außerdem, daß die Doradus auf ihrer Jungfernreise drei volle Jahre von der Erde ferngeblieben war. Sie fragte sich, wo sie auf dieser Reise gewesen und was in dieser Zeit geschehen sein mochte. Ohne Zweifel war ein großer Teil dieser Zeit damit verbracht worden, die Doradus insgeheim in ein Piratenschiff zu verwandeln.
Selbst bei dieser großen Mannschaft war es unwahrscheinlich, daß die Doradus mehr als einen Feuerleitoffizier hatte. Der Bordcomputer war also vermutlich nicht in der Lage, mehr als ein halbes Dutzend Selbstlenkgeschosse auf engstem Raum im Auge zu behalten. Das größte Problem bei ihrem Einsatz war, zu verhindern, daß sie sich gegenseitig vernichteten.
Hatte sie sie erst einmal gefunden, konnte Sparta ohne Mühe eine ganze Reihe von SADs im Auge behalten.
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