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Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer

Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer

Titel: Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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von Mensch und künstlichen Mechanismen. Sie war bereits das, was man früher einen Cyborg nannte.
    Die tote Achtzehnjährige in ihr lehnte sich dagegen auf. Nein, ich bin ein Mensch. Ein menschliches Wesen, korrumpiert durch künstliche Zusätze, durch Prothesen, die keine Behinderung ausgleichen sollten, sondern die man ihr mit Hilfe unmenschlicher Programme aufgepfropft hatte.
    Trotzdem war sie von diesen Prothesen abhängig geworden, auch wenn sie sich einredete, sie nur zum Wohl der Menschheit einzusetzen und mit ihrer Hilfe herauszufinden, was man ihr und ihren Eltern angetan hatte, und sich an den Verantwortlichen zu rächen.
    Gleichzeitig liebte sie die Macht, die sie erst durch diese Manipulationen erreicht hatte.
    In diesem Augenblick hatte sie vor nichts Angst.
    Ohne Furcht ging sie über den mondbeschienenen Weg. Sie war voller Selbstvertrauen und davon überzeugt, ihre außergewöhnlichen Sinne würden sie vor allem schützen, was die Nacht für sie bereithielt. Das Geschöpf, das hinter ihr aus dem Schatten hervorkam, hörte sie nicht.

15
    Er ließ sich aus den Bäumen auf ihren Rücken fallen. Für einen kurzen, entsetzlichen Augenblick hatte sie den Geruch des wilden Tieres in der Nase und war überzeugt, er würde ihr mit seinen muskulösen, behaarten Armen den Kopf von den Schultern reißen. Gelbe Zähne gruben sich in ihre Kopfhaut.
    Sie verfügte nur über ein Zehntel seiner Kraft, und unter normalen Umständen hätte auch ihre Schnelligkeit nichts genützt. Verzweifelt wand sie sich, um seinen Fängen zu entgehen und den Griff um ihre Kehle zu lockern. Sie ließ sich fallen und befreite sich dadurch aus der Umklammerung seiner unkoordinierten Beine. Die Schäden im Nervensystem des armen Steg hatten ihn nicht daran gehindert, sich geduldig und geschickt anzuschleichen, aber seine Motorik war vollkommen gestört.
    Da er es nicht geschafft hatte, sie augenblicklich zu töten, war er ihr ausgeliefert. Er floh und sie rannte ihm hinterher. Der völlig verschreckte Schimpanse stolperte auf allen Vieren den Weg entlang. Sofort fielen alle anderen Tiere in den Käfigen in sein Heulen und Kreischen ein.
    Sparta hatte sich in den letzten Wochen verändert. Sie konnte keinerlei Mitgefühl für diesen elenden Halbaffen aufbringen. Gnadenlos machte sie sich an die Verfolgung.
    Nach zehn Metern hatte sie ihn eingeholt, sprang ihn von hinten an und warf ihn zu Boden. Sie schlang ihm die Drahtschlaufe, mit der sie die Alarmanlage der Klinik überbrücken wollte, um den Hals und erstickte seine panischen Schreie.
    Sie drückte unerbittlich zu. Sekunden später war er tot.
    Zum erstenmal hatte sie der lockende Abgrund in Versuchung geführt, dem sie in den letzten Monaten mit immer weniger Kraft und Überzeugung widerstanden hatte. Eine tödliche Spur schien sie weiterzutreiben und in das Zentrum der Zerstörung zu ziehen, auch wenn sie bis zu diesem Augenblick nichts aus freiem Willen getan hatte.
    Als Sparta sich von dem toten Körper aufrichtete, war ein Glanz in ihren Augen, ein Feuer, das wilder brannte als das in den Augen des Schimpansen. Dabei hatte sie immer gedacht, sie haßte das Töten. Ihr Ziel war es doch immer gewesen, Morde zu verhindern und Mörder der gerechten Strafe zuzuführen. Sie stand erstarrt da, während das Blut eines Tieres von der Drahtschlinge tropfte und die klagenden Schreie der anderen Tiere die Nacht erfüllten.
    Steg hatte Sparta im Bett überfallen sollen. Er war gerade zu ihr unterwegs, als sie ihm auf dem Weg begegnete. Hätte er sie getötet, wäre Dr. Singh sicher sehr traurig über diesen bedauernswerten Unfall gewesen und hätte Steg einschläfern lassen.
    Als Sparta in sich hineinhorchte, entdeckte sie nichts, was sie noch hindern könnte, Dr. Singh zu töten. Im Gegenteil, der Gedanke besaß sogar einen gewissen Reiz.
    Sie hatte Blut geleckt, aber gleichzeitig war ihr Sinn für die höheren Reize der Jagd geweckt worden. Sie beschloß daher, die unmittelbare Rache an Dr. Singh zugunsten eines größeren Zieles aufzuschieben.
     
    Ein Dauerlauf in der dünnen kalten Luft entlang des Bergkammes brachte sie nach Darjeeling. Über den Bergen Richtung China ging die Sonne auf, nicht mit einem Donnerschlag, sondern wie kaltes Feuer. Plötzlich fühlte sie sich herausgefordert, das geduldige Fragen aufzugeben und endlich zu handeln.
    Nach ein paar Einkäufen auf dem Markt und dem Besuch einer Latrine hinter einem Süßwarenladen war sie bereit für den ersten Morgenzug.

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