Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer
Funk zu hören. »Howard, das Biest ist hunderttausendmal größer als der größte Wal! Selbst wenn es nur aus einer Gashülle besteht, wiegt es eine Million Tonnen! Ich habe keine Ahnung, wie es sich ernährt. Es muß Megawatts an Hitze für den Auftrieb erzeugen!«
»Es ist bestimmt nicht nur eine Gashülle. Dafür sind die Radarsignale zu klar.«
»Sie müssen dichter ran.« Brenner konnte seine Hysterie nur mit Mühe unterdrücken.
»Könnte ich machen«, gab Falcon zurück. Er konnte so dicht an die Medusa heran, wie er wollte, er brauchte nur eine andere Höhe einzunehmen und die unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten auszunutzen, trotzdem unternahm er nichts. Etwas hielt ihn in seinem Bann, ganz so wie schon während des Radiowellensturms.
»Falcon, Sie müssen augenblicklich …«
Buranaphorn ging energisch dazwischen. »Bleiben wir erst einmal wo wir sind, Howard.«
»Einverstanden, Zentrale, machen wir.« Falcon klang erleichtert, gleichzeitig amüsierte ihn das ›wir‹.
Olaf Brenner dachte nicht einmal daran, seinen Versuch zu entschuldigen, sich in die Zuständigkeit des Einsatzleiters einzumischen.
Sparta öffnete die Augen. Sie hatte im Schlaf dem Wortwechsel zwischen der Zentrale und dem zerbrechlichen Ballonfahrzeug in den Wolken des Jupiter gelauscht. Ihrem mitgenommenen Gesicht sah man jedoch an, daß sie nichts begriffen hatte.
»Chhhkann nssssehn …« Ihre Kehle war voller Sand.
»Wie bitte?«
Drei Männer beugten sich über sie, zwei junge und ein älterer. Sie erkannte sie nicht. Sie versuchte erneut, ihren Blick einzustellen und sie von nahem zu betrachten, aber dabei drohte ihr Kopf zu explodieren. Wenn sie ihnen in die Augen sehen und ihre Netzhautmuster ablesen könnte, wäre sie bestimmt auch in der Lage, sie wiederzuerkennen. Aber ihr rechtes Auge war wie tot. Nur auf eine normale Entfernung bekam sie ein Bild. Sie sah nicht besser als jeder andere Mensch auch.
»Ich kann nichts sehen«, flüsterte sie kaum deutlicher als zuvor.
Einer der jungen Männer wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht. Sie verfolgte sie mit den Augen. Er hielt drei Finger hoch. »Können Sie meine Hand sehen? Wie viele Finger sind das?«
»Drei«, hauchte sie.
»Lassen Sie beide Augen offen«, sagte der Mann, offensichtlich ein Arzt. Er legte ihr die Handfläche über das rechte Auge. »Und wie viele jetzt?«
»Vier. Aber ich kann nichts erkennen.«
Er legte ihr seine Hand über das linke Auge. »Und jetzt?«
»Immer noch vier.«
»Warum sagen Sie, Sie könnten nichts sehen?« Der Arzt nahm seine Hand von ihrem Gesicht. »Haben Sie Sehstörungen? Sehen Sie Schatten? Ist irgend etwas ungewöhnlich?«
Sie legte den Kopf auf die Seite, ohne zu antworten. Der Narr hatte keine Ahnung, und es schien ihr sinnvoller, ihm nichts zu erklären.
»Ellen, wir müssen uns mit Ihnen unterhalten«, sagte der ältere Mann. Wieso nannte er sie bei diesem Namen? So hieß sie nicht.
Sie prüfte so unauffällig wie möglich ihre Fesseln. Sie saßen fest. Man hatte sie mit breiten, geflochtenen Bändern an Hand- und Fußgelenken sowie an der Hüfte auf eine gepolsterte Fläche, ein Bett, gebunden. Schläuche kamen aus ihren Armen, und vage spürte sie weitere Schläuche und Drähte an ihrem Kopf. Irgend etwas machten sie mit ihrem Kopf. Sie konnte nicht sehen.
Aber horchen konnte sie noch …
Die Kon-Tiki befand sich jetzt seit über einer Stunde mitten im riesigen Hitzestrudel. Während der ganzen Zeit hatte Falcon mit dem Kontrast und der Vergrößerung der Videokamera experimentiert, um ein besseres Bild der nächsten Medusen aufzeichnen zu können. Er fragte sich, ob ihre undefinierbare Farbgebung zur Tarnung diente. Vielleicht versuchten sie wie viele Tiere auf der Erde, vor dem Hintergrund unsichtbar zu werden. Ein Trick, den sowohl Jäger als auch Beute anwendeten.
Zu welcher Kategorie gehörte die Medusa? In der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, rechnete er eigentlich nicht mehr mit einer Antwort, dennoch erhielt er sie kurz vor Mittag, und zwar ohne jede Vorwarnung. Wie ein Geschwader antiker Düsenjäger durchstießen fünf Mantas in V-Formation die Nebelwand und flogen direkt auf die graue Masse der Medusa zu. Falcon zweifelte keinen Augenblick, daß es sich um einen Angriff handelte. Er hatte sich offenbar getäuscht, als er sie für harmlose Vegetarier hielt.
Alles geschah in gemächlichem Tempo, wie in Zeitlupe. Die Mantas segelten mit vielleicht 50 Kilometern in der Stunde dahin. Es
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