Codename: Sparta - 5 - Der Jupiter-Diamant
bevorzugte Handelssprache der meisten Volkschinesen, die einen großen Teil der nichtindischen Bevölkerung von Shoreless Ocean stellten.
Von der niedrigen Hochbahn hingen Papierfähnchen herab, die unablässig im Luftzug der Ventilatoren flatterten; sie taten ihr bestes, den Geruch von Schweinefleisch und anderen, weniger angenehmen Düften aus den Korridoren zu vertreiben. Die Besitzer der Stände hatten Baldachine gegen das flackernde grellgelbe Licht der permanenten Beleuchtung aufgebaut. Blake schob sich voran gegen den Strom. Sein Ziel war die Baufirma Lim & Söhne, gegründet in Singapur 1946. Die hiesige Zweigstelle war 2068 eröffnet worden, bevor es eine nennenswerte Besiedlung auf Ganymede gab.
Die Büros der Firma wiesen auf eine chaotische Kreuzung zweier geschäftiger Korridore in der Nähe des Zentrums der unterirdischen Stadt hinaus. Hinter einer Wand aus verspiegeltem Glas beugten sich hemdsärmelige und bebrillte Büroangestellte emsig über ihre Bildschirme.
Blake trat durch die automatische Tür; sofort verebbte der Lärm des Korridors, und es wurde still. Niemand beachtete ihn. Er beugte sich über das Geländer, das die mit Teppichboden ausgelegte Empfangszone vom nächsten Angestellten trennte und sagte in deutlichem Mandarin: »Mein Name ist Redfield. Ich habe um zehn Uhr eine Verabredung mit Luke Lim.«
Der Angestellte zuckte zusammen. Ohne Blake auch nur anzusehen, tippte er etwas auf seinem Kommfunk ein und sagte in rasendem Kantonesisch: »Hier draußen steht ein Weißer, er ist gekleidet wie ein Kuli, spricht aber lupenreines Mandarin. Behauptet, er sei mit Luke verabredet.«
Aus dem Kommfunk quakte es zurück, laut genug, daß Blake alles verstehen konnte: »Sag ihm, er soll warten. Mal sehen, was er dann macht.«
»Warten Sie«, sagte der Angestellte auf Englisch – immer noch, ohne aufzusehen.
Stühle für Besucher gab es nicht. Blake ging hinüber zur Wand und betrachtete die bunten Farbholos, die dort hingen, ein paar steife Familienportraits und Weitwinkelaufnahmen irgendwelcher Bauvorhaben. Auf einer Holographie waren Röhrenbündel zu sehen, die sich kilometerweit wie getrocknete Nudeln in einer Packung über das Oberflächeneis erstreckten; es handelte sich um eine Anlage, die Wassereis in Wasserstoff und Sauerstoff trennte. Auf anderen Holos waren Eisminen zu sehen, Destillerien, Kläranlagen, hydroponische Farmen.
Zwanzig Minuten lang vertrat Blake sich geduldig die Beine. Endlich tippte der Angestellte etwas in seinen Kommfunk und sagte: »Er steht immer noch da … nein, ganz ruhig und glücklich.«
Weitere fünf Minuten verstrichen. Hinten im Raum erschien ein Mann und trat mit ausgestreckter Hand an das Geländer. »Luke Lim. Ich bin untröstlich, Mr. Redfield, ich wurde aufgehalten.« Lim war sogar für die niedrige Schwerkraft auf Ganymede recht groß und wirkte mit seinen geröteten Augen und eingefallenen Wangen fast ausgezehrt. Etwa ein Dutzend sehr schwarzer, sehr langer Haare an seiner Kinnspitze erinnerten an einen Ziegenbart. Im Gegensatz zu seinem Bart war sein Haupthaar dicht und glänzend und hing ihm bis auf die Schultern herab. An Daumen und Fingern seiner rechten Hand hatte er zentimeterlange Nägel, links waren sie jedoch kurzgeschnitten. Er trug blaue Arbeitshosen aus Segeltuch und ein Hemd, das wie ein Matratzenbezug gemustert war.
»Kein Problem«, sagte Blake kühl und drückte die ausgestreckte Hand. Seltsamer Bursche, dachte Blake: sein Akzent war so aufgesetzt, wie man sich nur vorstellen kann; er hörte sich an wie auf einem alten Charlie-Chan-Chip. Die Fingernägel waren nicht das affektierte Markenzeichen eines Mandarins, sondern dienten offenbar dazu, Gitarre zu spielen, und die Arbeitskleidung sollte andeuten, daß der Kerl sich zur arbeitenden Klasse zählte.
»Bin sehr froh, daß Sie nicht in großer Eile sind«, sagte Lim.
»Sie wollten mir etwas zeigen?«
»Ja.« Plötzlich war Lims Stimme leise und verschwörerisch geworden. »Kommen Sie bitte mit mir.« Großspurig hielt er Blake das Tor im Geländer auf und winkte ihn hindurch.
Blake folgte ihm in den hinteren Teil des Büros und in einen dunklen, niedrigen Durchgang. Zu beiden Seiten sah er flüchtig winzige, schlecht beleuchtete Zimmer voller Männer und Frauen, die sich über Werkzeugmaschinen bückten.
Nach einer Fahrt in einem großen, langsamen Frachtaufzug erreichten sie eine riesige Wartungshalle, deren Boden und Wände man aus dem uralten Eis geschnitten hatte. Das
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