Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff
immer wieder, und dies um so mehr, als Angus sich uns nie aufdrängt. Und er hat uns ihre Namen beigebracht: Pfefferbäume, Oleander, Ocotillos, Birnen, Kakteen, Grünstock, Sagopalmen, Schlüsselblumen, Sternschnuppen und hundert andere Arten winziger, leuchtender Blumen, deren Namen ich schnell wieder vergessen habe (die aber natürlich allesamt sorgfältig verzeichnet wurden). Angus kennt ihre Namen so gut wie die seiner Freunde.
Einige der Obstbäume sind ebenfalls bekannt. Der Urapfel aus dem Garten Eden wächst hier. Vieles ist jedoch völlig anders als auf der Erde. Die ›Weiße Kugel‹ haben wir nach den Früchten benannt, die sie mehrere Monate hintereinander reichlich trägt – Früchte, rund wie Apfelsinen, glatt wie Melonen, blaß wie Eier. Gestern traf ich Marianne, als sie Weißkugelbäume beschnitt und dabei allzu üppige glänzende Ableger abtrennte, aus deren Knospen, die noch vor einer Woche hart und grün gewesen waren, rosige und violette Blüten hervorsprossen. Anschließend stellte sie einige Ableger auf die Seite, die sie für die Blumengestecke verwenden möchte, mit denen sie so oft unsere Zimmer schmückt.
Tage und Nächte sind hier nur ein paar Minuten länger als auf der Erde, das Jahr und die Jahreszeiten jedoch sind doppelt so lang. Im Augenblick geht der kühle marsianische Frühling allmählich in den langen marsianischen Sommer über. Marianne trug nur einen Tapa-Umhang und genoß die Sonne auf ihren nackten Gliedern. Wie bei uns allen war ihre Haut tief gebräunt. Ein höchst erfreulicher Anblick, muß ich sagen.
Sie hat geweint, aber nicht etwa, weil sie traurig gewesen wäre. Nachdem wir uns eine Weile über dies und das unterhalten hatten, während die Sonne am mondlosen Himmel unterging, erzählte sie mir, sie sei schwanger.
Damit wären dann auch die letzten Rollen besetzt. Jetzt haben wir unseren richtigen Adam und unsere richtige Eva.
00.22.29.19
Noch ein wenig mehr als ein Monat, dann sind wir ein Jahr hier – ein Marsjahr, das etwas weniger als zwei Erdenjahre beträgt. (Die Marstage sind jedoch nur wenig länger als vierundzwanzig Stunden). Wir haben einen vierundzwanzigmonatigen Kalender erstellt, mit Monaten von abwechselnd achtundzwanzig und neunundzwanzig Tagen, sowie ein paar Extratagen am Ende. Es ist nicht das gleiche Sonnensystem, das in jener Zeit, aus der wir stammen, auf dem Mars in Gebrauch war, als sich alle Datumsangaben im Sonnensystem auf die Standardwerte der Erde bezogen, aber für uns funktioniert es so besser. Es erinnert uns daran, daß wir tatsächlich auf dem Mars leben – und daß jene andere Erde ebenso wie die Zeit, aus der wir stammen, unerreichbar für uns ist.
Die Namen der Monate werden später folgen – wir haben beschlossen, diese Tradition weder zu übereilen, noch künstlich eine Ordnung zu schaffen, wo eigentlich ein spontaner Prozeß angebracht wäre. Es ist uns im Grunde egal, daß das Neujahrsfest auf der Nordhälfte des Mars nicht mitten im Winter liegt (tatsächlich fällt es mitten in den Nordsommer), denn unser Basislager liegt nicht weit vom Äquator.
Gelegentlich beehrt uns Troy mit einem ihrer Kommlinkbulletins, aber ansonsten sehen wir von ihr oder Redfield nur wenig. Doch sie vergißt uns nie – nie brauchen wir sie daran zu erinnern, wenn die Waren und jene Vorräte, die nur die Außerirdischen zur Verfügung stellen können, zur Neige gehen. Bei Bedarf haben wir immer Kontakt mit ihr aufnehmen können, selbst wenn es gelegentlich um den Zutritt zum amaltheanischen Schiff und seine Einrichtungen ging. Aber ansonsten scheint sie sich nicht weiter mit der Frage unseres Wohlergehens zu beschäftigen.
Ich glaube, mittlerweile haben wir im Gegensatz zu früher akzeptiert, was einige vielleicht unser Schicksal nennen würden. Wenn es meiner Ansicht nach auch vollkommen untypisch für die strengen Schicksalsgöttinnen wäre, sich auf derart antisymmetrische Affären einzulassen. Wir sind schlecht zueinander passende, nach undurchschaubaren Kriterien ausgewählte Vertreter der menschlichen Rasse und von daher wohl kaum geeignet, die Rolle der Stammväter zu übernehmen, gleich welches Paar man betrachtet. In Joes bunter karibischer Ahnenreihe ist ganz Afrika enthalten, in den Genen von Redfields chinesischer Mutter ganz Asien (übrigens läßt Redfield sich bei uns noch seltener blicken als Troy).
Wenn uns das Schicksal nicht hierher verschleppt hat, was dann? Das Chaos? Das zweite Gesetz der Thermodynamik? Beide
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