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Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer

Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer

Titel: Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wood
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Angreifer ihn erst sehen, wenn er direkt neben ihm stand. Und wenn er, wie neunzig Prozent der Weltbevölkerung, Rechtshänder war, dann musste er sich mit dem gesamten Oberkörper drehen oder aber den Arm ganz ausstrecken, um auf ihn schießen zu können. Jedenfalls blieb ihm in beiden Fällen genügend Zeit, um das zu verhindern.
    Die Tür zu seiner Linken klappte auf, und Victor setzte sich automatisch kerzengerade auf. Adrenalin überflutete seine Blutbahnen, bereit zur Attacke.
    Es war ein kleines Mädchen, vielleicht vier, fünf Jahre alt. Er entspannte sich. Sie schaute ihn nicht einmal an, rannte lediglich den Gang entlang und prallte dabei immer abwechselnd links und rechts gegen die Sitze. Am Ende des Waggons drehte sie sich um und kam wieder zurückgerannt. Jedes Mal, wenn sie von einem Sitz zum nächsten hüpfte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Bei Victor angelangt, blieb sie stehen. Erst jetzt nahm sie ihn überhaupt wahr.
    Unglaublich große Augen starrten ihn an. Er starrte zurück, aber die Intensität ihres Blicks war ihm unangenehm, als könnte sie hinter seine Augen sehen, die Fassade der Menschlichkeit durchdringen und sein wahres Ich dahinter erkennen. Doch dann lächelte sie, entblößte eine Zahnlücke, und jede Spekulation, sie könnte womöglich seherische Fähigkeiten haben, löste sich in Luft auf.

    Mit gespielter Verwunderung beugte Victor sich vor und griff ihr hinter das Ohr. Auch sie sah verwundert aus. Als er die Hand wieder zurückzog, hielt er eine Münze zwischen den Fingern. Da gewann das Lächeln wieder die Oberhand. Er ließ die Münze zwischen seinen Fingern hin und her wandern, und aus dem Lächeln wurde ein Lachen.
    Er legte die Münze in seine linke Hand, drehte die Hand um und ließ sie über die Rechte wandern. Als er dann die linke Hand wieder umdrehte, war sie leer. Das Mädchen lächelte und deutete auf seine rechte Hand. Vielleicht hat sie den Trick ja schon mal gesehen, dachte Victor, aber vielleicht war sie für ihr Alter auch nur besonders aufmerksam. Er drehte die geschlossene rechte Hand ebenfalls um und klappte sie auf. Keine Münze. Aus dem Lächeln im Gesicht des Kindes wurde Verwirrung. Er saß da, zeigte ihr die beiden leeren Handflächen und zuckte mit den Schultern.
    Da ging die Tür auf, und eine Frau kam herein. Sie rief das Mädchen zu sich. Das Kind drehte sich um und lief weg. Ihre Mutter hastete ihr hinterher, und mit jedem Ruf wurde ihre Stimme lauter. Sie sah erhitzt aus, als hätte sie das Mädchen schon durch den ganzen Zug verfolgt.
    Noch bevor die Kleine an der Tür war, hatte ihre Mutter sie am Kragen erwischt und bugsierte sie mit säuerlicher Miene wieder zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Sie schimpfte auf Deutsch mit dem Mädchen, aber das Kind schien sich davon nicht weiter beeindrucken zu lassen.
    Als sie näher kamen, schaute das Mädchen Victor an, und er reagierte mit einem Blick, der besagte: Mehr Glück beim nächsten Mal . Sie grinste, und er steckte ihr im Vorbeigehen die Münze zu. Er sah noch kurz das Leuchten in ihren Augen, dann war sie verschwunden, und Victor fühlte sich so einsam wie nie zuvor.
    Der Zug fuhr durch eine lang gezogene Kurve, und die Waggonbeleuchtung flackerte ein wenig. Victor zog ein Smartphone aus der Tasche und schaltete es ein. Das hatte er sich in Charleroi
gekauft und, zum Entzücken des Ladenbesitzers, bar bezahlt. Dann holte er den USB-Stick aus der Tasche und schloss ihn an das Handy an. Jetzt konnte er zwar auf den Stick zugreifen, doch als er die einzige darauf gespeicherte Datei öffnen wollte, wurde ein Passwort verlangt.
    Er ließ den USB-Stick zurück in sein Jackett wandern und zwang sich zum Nachdenken. Zwei Stunden nach Ausführung seines Auftrags hatten osteuropäische Killer unter Führung eines Amerikaners versucht, ihn in seinem Hotel umzubringen. Er dachte an das Dossier, das er im Van der Attentäter entdeckt hatte. Sie hatten vielleicht nicht allzu viele persönliche Angaben über ihn gehabt, aber schon die Tatsache, dass sie sein Gesicht kannten und sein Hotel in Erfahrung gebracht hatten, erforderte außergewöhnlich exakte Aufklärungsarbeit.
    Nur jemand, der gewusst hatte, dass er in Paris war, um Ozols zu töten, konnte die Attentäter angeheuert haben. Eine dritte Partei schloss er aus. Der Makler oder der Klient. Oder beide zusammen. Sie hatten ihm einen Hinterhalt gelegt, aus Sicherheitsgründen, um Geld zu sparen oder aus einem anderen Grund, der

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