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Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden

Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden

Titel: Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BÖRSENMEDIEN AG
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drückte auf eine Taste. „Stoop Zero Seven“, sagte er. „Hier Tango.“
    „Stoop“ war das Rufzeichen der Scharfschützenzelle – „Zero Seven“ die dem höchstrangigen Nichtoffizier einer Einheit zugeordnete Zahlenkombination. Stoop Zero Seven war die persönliche Kennung von Mel Hoyle.
    Hoyle befand sich inzwischen wieder im TACTAS-Raum. Er hatte sich auf der Bank niedergelassen, eingezwängt zwischen dem Primärschützenpaar und dem zusätzlichen Beobachter. Gegen sein Auge presste er ein MO-4-Nachtsichtgerät, einen kompakten digitalen Sucher mit Vierfachzoom. Er hatte ihn auf die Steuerbrücke ausgerichtet. Das MO-4 machte aus der Nacht einen hellgrünen Tag in gedämpften Farben, die aber immer noch als Rot-, Blau- und Brauntöne zu unterscheiden waren. Das Rettungsboot hatte ein dunkles Orangegrün, der Schaum, der unter seinem Bug hervorsprudelte, die blasse Farbe von Crème de Menthe. Mel konnte durch die Fenster der Steuerbrücke Gesichter erkennen. Er sah, dass sie rasiert waren. Und er wusste, dass sie Waffen trugen.
    Mel drückte auf den Sendeknopf. „Tango bitte kommen.“
    „Was habt ihr für uns?“
    „Zwei, bewaffnet, auf der Steuerbrücke. Einer, bewaffnet, sporadisch in der Luke. Keine Fracht.“
    Eine knappe, sachliche Zielbeschreibung. Zwei der Piraten waren durchs Fenster zu sehen, einer zeigte sich immer wieder in der Luke. Keine Spur von der Geisel.
    Im Kopfhörer erklang wieder Wilsons Stimme: „Habt ihr einen Flush?“ Wenn alle drei Zielpersonen gesichtet wurden, war das ein Flush, zwei waren ein Deuce, einer ein Loner.
    „Positiv.“
    „Bereitschaft. Wir öffnen ein Fenster in circa 05 Minuten.“
    „Verstanden, 05 Minuten.“
    Im TACTAS-Raum atmeten alle auf. Nach fast vier Tagen des Wartens und Beobachtens würde es jetzt einen Schießbefehl geben. Vielleicht. Zeit für Zen. An der Primärwaffe regulierte Mike Buckwalter den Restlichtverstärker seines MO-4. Er richtete das kleine, weiße Kreuz auf die Steuerbordscheibe der Steuerbrücke aus. Es gab kein Mondlicht, das vom Glas reflektiert werden konnte. Wenn der Bug des Rettungsbootes sank, hatte er freie Sicht auf Kopf und Schultern zweier Männer. Einer trug ein T-Shirt, der andere in helles Karohemd mit zerfranstem Kragen. Bravo und Charlie.
    Buck warf einen Blick zu Doug MacQuarrie hinüber, seinem Schussbeobachter, und hinter dessen Rücken vorbei auf seinen Boss Mel. Der dritte Schussbeobachter, Bubba Holland, klappte gerade das Zweibein seiner PS2 aus, prüfte das Magazin und lud durch. Als Mel den Raum betrat, befahl er allen drei Schützen, eine Zielperson anzuvisieren. Sonst sagte er nichts, nur, dass man ihm „Platz“ auf der Plattform machen solle.
    Mel war bei ihnen und der Skipper auf dem taktischen Netz. Jeder wusste, dass vermutlich bald geschossen würde. Sie hatten die Leuchtkugel gesehen und den Funkverkehr gehört. Sie lagen versteckt im Hinterhalt und stellten keine Fragen. Oft verging eine vierstündige Schicht, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Die Augen ruhten auf dem Zielobjekt, und die Männer waren voll konzentriert, damit alles perfekt ablief. Sie lauschten und zielten.
    In der Dunkelheit malte sich ein jadegrüner Lichtkreis auf Mels Wange. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos. Seine Schussmiene. Die Plattform ächzte, wenn das Schiff schlingerte. Die Männer, Sensoren, Funkgeräte und Waffen, die es trug, wogen fast eine halbe Tonne. Buck und Doug waren an Steuerbord am Außenbord-Speigatt postiert, mit zwei aufs Ziel ausgerichteten Gewehrmündungen, und Bubba saß innerbords an einer Öffnung auf Backbordseite. Mel hatte sich gleich hinter Bubba positioniert. Seine Waffe hing hinter ihnen an einer Kabeltrommel – die Match-Grade-Version der M-14, mit der er jedes Jahr bei den nationalen Meisterschaften antrat. Mel hielt sein Spektiv auf dem angewinkelten Ellenbogen und stabilisierte es, indem er mit der linken Hand kraftvoll das rechte Handgelenk umschloss. Die Schützen drückten die Waffen fest gegen die Einbuchtung an der Schulter. Körperlich waren alle ruhig. Jetzt spielten sie ihre Rituale durch, um auch den Atem zu beruhigen.
    Noch war es nicht so weit. Nicht ganz. Gut möglich, dass sich das Fenster gar nicht öffnete. Jedem war klar, dass vielleicht kein Schuss fallen würde. Heute nicht oder auch gar nicht. Sie mussten sich ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Sie würden sich nicht innerlich auf bestimmte Befehle einstellen und sie würden nicht frustriert reagieren,

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