Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
stürzen.
Als man ihm sagte, die Russen hätten sich zurückgezogen, fragte er, warum man ihnen nicht nachsetze. Da machte Gulbuddin Hekmatyar dem übereifrigen jungen Saudi ein paar Realitäten der Kriegführung gegen eine Supermacht klar. Die Sowjets waren nicht nur in der Überzahl, sondern hatten auch Kampfhubschrauber und raketenbestückte Jagdbomber. Ihre nächtliche Ankunft hätte leicht einen Luftschlag zur Folge haben können. In der Morgendämmerung hatte Hekmatyar Osamas Soldaten gesehen. Manche hatten weiße Zelte dabei. Darauf angesprochen erklärten sie, sie wollten ganz bewusst Ziele abgeben, da sie ja den Märtyrertod anstrebten. Die Afghanen praktizieren traditionell eine gemäßigte Form des sunnitischen Islam. In ihrer Militärgeschichte haben sie sich nie für Selbstmord als militärische Taktik begeistert. Was Gulbuddin Hekmatyar an der Front brauchte, waren ausgebildete, disziplinierte Soldaten – keine Helden des Augenblicks.
Azzam und bin Laden übergaben ihre Waffen und ihre Munition an Hekmatyars Truppen, bestiegen mit ihren Leuten drei Busse und wurden nach Peschawar zurückgebracht.
Die Afghanen nannten sie bald die Brigade der Lächerlichen.
Osama und Azzam schickten weiter Geld und Freiwillige in Ausbildungslager und zu Kampfeinheiten jenseits der Grenze. Das konnten sie, und eine Zeit lang beschränkten sie sich darauf. Azzam machte weite Reisen, um Mittel aufzutreiben. 1986 ging er auf Vortragstour in die Vereinigten Staaten und sammelte Geld in Moscheen in Dallas, Kansas City und Los Angeles. Er berichtete über Wunder auf dem Schlachtfeld – über entschlossene Einzelkämpfer der Mudschaheddin, die einen Zug sowjetischer Panzer aufrieben, über Kugeln, die von mitgeführten Koran-Exemplaren abprallten, die ihre Besitzer vor Schaden bewahrten, über die Leichname von Märtyrern, die nicht verwesten, über Bomben, die von Vogelschwärmen abgelenkt wurden – den Seelen von Dschihadisten auf dem Weg in den Himmel.
Azzams Worte warben Kapital ein und lockten neue Rekruten an. Seine Predigten fielen dort auf fruchtbaren Boden, wo das Leben hart war und wenig Lohn in sich trug. Die meisten Mudschaheddin kamen aus Saudi-Arabien, aber auch aus den repressiven Militärdiktaturen des Jemens und Syriens. Manche kamen sogar aus den Vereinigten Staaten.
Das Geld floss und das Dienstbüro wuchs. Hassan al Banna, Begründer der Muslimbruderschaft, hatte geschrieben: „Der Märtyrertod ist eine Kunst.“ Osamas Kunst bestand darin, durch Veröffentlichung seines Hochglanzmagazins al-Dschihad Kämpfer anzulocken – mit Fotos von brennenden Sowjetpanzern und toten russischen Soldaten. Die Freiwilligen strömten, viele von ihnen junge Saudis, die in den Schulferien mit Billigtickets für eine oder zwei Wochen nach Pakistan flogen, die sie in den Gasthäusern des Dienstbüros verbrachten. Und das Geld sprudelte weiter.
Schließlich holte bin Laden seine Frauen und Kinder zu sich nach Peschawar. Das war im Jahr 1986, als die Sowjets begriffen, was schon die Briten 1820 feststellen mussten: dass Afghanistan nicht zu erobern war.
Amerika hatte zum russischen Albtraum beigetragen, indem es die Mudschaheddin mit Ein-Mann-Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger ausgestattet hatte. Diese tragbaren wärmesuchenden Waffen schalteten russische Kampfhubschrauber aus und zwangen sowjetische Kampfbomber, in Höhen aufzusteigen, aus denen Bomben nicht mehr zielgenau abgeworfen werden konnten. Stinger-Raketen taten das Ihre, um die bevorstehende sowjetische Niederlage zu beschleunigen, doch so kriegsentscheidend, wie manche Militärexperten behaupteten, waren sie nicht. Gewonnen hat den Krieg die Zähigkeit der Afghanen.
30 Jahre später, als die Amerikaner in Afghanistan einmarschierten, waren die Stinger-Raketen kein Thema mehr. Doch der Krieg war genauso wenig zu gewinnen.
Die Sowjets steckten in der Bredouille, und im Hafen von Karatschi kamen aus aller Welt Frachtcontainer an, die randvoll waren mit Waffen. Die Pakistanis mussten Lagermöglichkeiten für die verfängliche Fülle an militärischer Ausrüstung finden. Gewehre und Raketenwerfer wurden in großer Zahl in einem von bin Laden ausgeschachteten Höhlenkomplex südwestlich vom Khyber-Pass versteckt. Diese Region wurde „Papageienschnabel“ genannt.
Am Nordhang des Khyber-Passes legte Osama für sich ein unterirdisches Lager an, mit Kaserne, Feldlazarett, Lebensmittel- und Treibstoffvorräten und natürlich Waffenkammern mit Waffen und
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