Codex Alera 06: Der erste Fürst
gefährlichem persönlichen Wissen über mich mit den Vord herumstreift?« Er hielt nachdenklich inne. »Ich bedaure, dass ich dir und deinem Grafen nicht sagen konnte, was ich vorhabe, aber es hätte meinen Plan zunichtegemacht.«
»Du hast unser Leben aufs Spiel gesetzt«, sagte Amara, »und einige deiner eigenen Leibwächter verwundet. Und du wusstest noch nicht einmal, ob sie sich zeigen würde.«
»Das stimmt nicht«, antwortete er. Er kniete sich hin und machte Anstalten, den bewusstlosen Bernard aufzuheben. »Invidia verfügt über ein scharfsichtiges Talent, wenn es darum geht, Schwächen aufzuspüren und auszunutzen.«
Ein Zischen ertönte, und ein schmales Schwert, dessen Klinge aus einem Schaft vordgrünen Feuers bestand, drang zwischen Attis’ Füßen aus dem Stein hervor und stieß in seine Leistengegend hinauf. Attis schrie und warf sich zur Seite, weg von der Klinge, die mit einem siedenden, zischenden Klagelaut durch seinen Körper schnitt. Es gelang ihm mit Müh und Not beiseitezustolpern, als ein drei Fuß großer Kreis aus dem Steindach nach oben und außen explodierte.
Eine Gestalt stieg von unten daraus hervor, ganz schwarzes Chitin und versengtes Fleisch; sie hielt die lodernde grüne Klinge in der Hand. Sie war kahl, ihre Kopfhaut schwarz verbrannt. Amara hätte Invidia kaum erkennen können, wenn nicht die zitternden, pulsierenden, gequälten Bewegungen der übel versengten Kreatur gewesen wären, die sich über ihrem Herzen an sie klammerte. »Ich weiß wirklich, wie man Schwächen ausnutzt«, zischte sie. Ihre Stimme war ein heiseres Krächzen. »Etwa deine unerträgliche Neigung, mit deinen Siegen herumzuprahlen, Attis.«
Attis lag weiß wie ein Leintuch auf dem Dach. Seine rechte Hand zuckte, scheinbar unfähig zu kontrollierten Bewegungen. Beide Beine lagen schlaff da. Er blutete nicht, aber die weißglühenden Klingen, die hochgestellte Cives einsetzten, kauterisierten Wunden so gut wie immer. Nur die Tatsache, dass er an der Steinbrüstung des Dachs lehnte, verhinderte, dass er flach auf dem Rücken lag.
Seine linke Hand wanderte mit einer abgehackten Bewegung in seine Jacke und kam dann mit einem Briefumschlag wieder hervor. Er warf das Papier schwach zu Invidia hinüber, und der Umschlag landete direkt zu ihren Füßen. »Für dich. Es gefällt mir übrigens sehr, wie du jetzt deine Haare trägst.«
Invidia entblößte die Zähne zu einem Lächeln. Blut strömte ihr aus den verbrannten Lippen. Ihre Zähne und das Weiße ihrer Augen hoben sich gespenstisch von dem nahtlosen Schwarz ihres versengten Gesichts ab. »Und was ist das?«
»Deine Ausfertigung der Scheidungspapiere.«
»Wie aufmerksam.«
»Nein, notwendig. Dem Gesetz nach kann ich dich erst loswerden, wenn ich sie dir übergeben habe.«
Invidias Lächeln schwand nicht, als sie vorwärtsschritt. Ihr Schwert zischte, während seine Flammen die kühle Luft durchstrichen. »Jetzt bist du mich los.«
Er neigte den Kopf zu einer spöttischen Verbeugung, sein Gesicht eine Maske ruhiger Verachtung. »Das wurde auch höchste Zeit.«
»Für uns beide«, schnurrte sie.
Der Schrei eines Raubvogels ertönte, und ein kleiner Falke aus weißglühendem Feuer sauste aufs Dach zu Invidias Füßen und breitete sich binnen eines Augenblicks zu einer flammenden Mauer zwischen ihr und Attis aus.
Amaras erschöpfter Blick hob sich zum Himmel, wo sechs Flieger schon zu einem Sturzflug ansetzten, der sie auf das umkämpfte Dach herabtragen würde. Die Waffen jedes Einzelnen von ihnen waren in Flammen gehüllt. Sie kamen in einem asymmetrischen Keil herab, geführt von Placidus Aria, die ein brennendes Schwert in der Hand trug und deren Rocksäume aufgrund ihres rasanten Tempos flatterten und zerrissen.
Attis begann, ein mattes, ersticktes, verächtliches Lachen auszustoßen.
» Verfluchte Krähen «, knurrte Invidia. Sie wirbelte herum, stürzte sich von der Rückseite des Gebäudes und verschwand aus dem Blickfeld, während der Wind zu heulen begann und sie in eine dichte Rauchwolke trug.
Amara klammerte sich an Bernard, während drei der Neuankömmlinge auf dem Dach landeten. Die anderen blieben in der Luft. Der alte Hohe Fürst Cereus, dessen weißes Haar im Feuerschein orangefarben schimmerte, setzte neben Fürst und Fürstin von Placida auf, während Phrygius, sein Sohn und der Hohe Fürst Riva in der Luft Wache hielten.
»Aria«, rief Amara, »der Princeps braucht sofort eine Heilwanne.«
»Wohl kaum«, sagte Attis in
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