Codex Alera 06: Der erste Fürst
stürzen uns Hals über Kopf in eine Schlacht, in der wir verdammt noch mal eins zu tausend in der Unterzahl sind, und er lässt sich vor dem Kampf selbst zur Ader! Wahrscheinlich, um dem Feind die Mühe zu ersparen!«
»Es war notwendig«, sagte Tavi müde. »Lass es dabei bewenden, Foss.«
»Ja, Hauptmann«, antwortete Foss mit finsterer Miene. »Vielleicht kannst du mir dann ja eine andere Frage beantworten. Warum zu den Krähen hält sich der Erste Speer der Legion in einem bewachten Zelt auf, läuft in einer Zivilistentunika herum und spricht mit niemandem?«
Tavi atmete langsam ein und wieder aus. »Was denkst du, warum, Foss?«
»Es geht das Gerücht, er sei krank geworden. Sein Herz hätte ihn in dem letzten Kampf im Stich gelassen. Er ist höchstwahrscheinlich fast sechzig. Nur, dass ich es wissen würde, wenn dem so wäre, weil ich der Mann gewesen wäre, der ihn behandelt hätte.«
Tavi stützte sich vorsichtig auf die Ellenbogen und sah Foss in die Augen. »Hör mir jetzt sehr genau zu, Tribun«, sagte er. »Du warst der Mann, der ihn behandelt hat. Es ist sein Herz. Er ist auf dem Wege der Besserung und wird noch einige Tage lang nicht er selbst sein. Du hast ihn vom aktiven Dienst befreit. Die Wache ist da, um sicherzustellen, dass der sture alte Bock sich genug ausruht und keinen Rückfall erleidet.«
Der Zorn schwand aus Foss’ Gesichtsausdruck und wich Unverständnis, gefolgt von tiefer Besorgnis. »Aber …«
»Hast du mich verstanden , Tribun?«, fragte Tavi.
Foss salutierte sofort. »Ja, Hauptmann.«
Tavi nickte und ließ sich wieder aufs Feldbett sinken. »Ich kann es dir nicht erklären, Tribun. Noch nicht. Du musst mir vertrauen. Bitte.«
Foss’ Miene wurde sogar noch ernster. Er runzelte die Stirn und sagte: »Ja, Hauptmann.«
»Danke«, sagte Tavi leise. »Bist du fertig mit mir?«
Foss nickte, schien sich zu fangen und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Seine Stimme gewann währenddessen ihr Selbstbewusstsein und ihre Kraft zurück. »Ich habe die Wunde gereinigt und geschlossen. Du musst viel Wasser trinken und reichlich essen, am besten rotes Fleisch. Ruh dich über Nacht gut aus. Und ich würde dich morgen lieber auf einem Wagen als zu Pferde sehen.«
»Wir werden sehen«, sagte Tavi.
»Hauptmann«, sagte Foss, »diesmal musst du mir vertrauen.«
Tavi musterte ihn und ertappte sich bei einem Lächeln. Er winkte ab. »Schon gut, schon gut, wenn es dich davon abhält, weiter herumzunörgeln. Abgemacht.«
Foss brummte befriedigt, salutierte und verließ das Zelt.
»Crassus«, sagte Tavi, »wir sind nahe an feindlichem Gebiet. Vergewissere dich, ob die Erdelementare so aufgestellt sind, dass sie jeglichen Fänger entdecken können. Und schieb die Wachtposten der Canim so weit vor, wie du nur kannst. Ihre Fähigkeit, nachts zu sehen, ist jetzt unbezahlbar.«
»Ich weiß«, sagte Crassus. »Ich weiß, Hauptmann. Ruh dich aus. Wir sorgen schon dafür, dass wir bis zum Morgen überleben.«
Tavi setzte dazu an, Crassus noch eine Reihe von Warnungen und Anweisungen mit auf den Weg zu geben, zwang sich dann aber, den Mund zu halten. Er war so müde, dass es ihm bemerkenswert leicht fiel. Crassus, Max und der Rest der Legion würden ihre Aufgaben ordentlich erfüllen, ohne dass Tavi ihnen allen sagte, wie sie es anstellen mussten. Welchen Zweck hatten schließlich all die Übungen und die Disziplin, wenn die Leute keine Gelegenheit bekamen, ihre Befähigung dann und wann unter Beweis zu stellen?
Er seufzte und sagte: »Gut, gut, ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Achtet darauf, dass ich spätestens beim ersten Tageslicht wach bin.«
Max und Crassus salutierten beide und verließen das Zelt.
Tavi setzte sich genug auf, um den großen Becher kalten Wassers, der auf der Ablage neben dem Feldbett stand, zu leeren, aber der Gedanke daran, das Essen daneben zu verspeisen, war ekelerregend. Er legte sich wieder hin und schloss die Augen. Er konzentrierte sich einen Moment lang und raffte ein Windwirken zusammen, um ein unbelauschtes Gespräch sicherzustellen. »Wie viel hat mit dem Blutverlust zu tun?«, fragte er das leere Zelt. »Und wie viel ist das Ergebnis davon, dass ich das Wetterwirken aufrechterhalten habe?«
Einen Augenblick lang war das Zelt noch leer, im nächsten stand Alera über den Sandtisch am Mittelpfosten gebeugt. Sie lachte warm. »Sextus hat mehr als ein Jahr gebraucht, um meine Gegenwart wahrzunehmen. Woran liegt es, dass du so schnell
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