Codex Alera 06: Der erste Fürst
entlang zu dem älteren Mann in Legionsrüstung und Zenturionenhelm zu gehen, dessen Hosen nicht einen, sondern zwei scharlachrote Streifen des Löwenordens aufwiesen. Er murmelte ein paar Worte, und der alte Zenturio Giraldi, der aus dem Ruhestand zurückgekehrt war und wieder seine Rüstung trug, nickte ungerührt und machte sich daran, Kuriere auszusenden.
»Gräfin«, begrüßte Riva sie, »wenn ein Graf eine Festung im Hinterland seines Lehnsherrn hochzieht, ist es völlig vernünftig, Verdacht zu schöpfen. Denk doch an das, was bei den Sieben Hügeln geschehen ist. Ich glaube nicht, dass ich eben zu weit gegangen bin.«
»Unter den meisten Umständen wärst du das nicht, verehrter Fürst. Aber angesichts unserer Lage würde ich sagen, dass wir über die Angelegenheit sprechen sollten, wenn alles vorbei ist. Wir können sogar eine Anhörung einberufen – wenn denn überhaupt Legaten überleben.«
Riva brummte recht übellaunig irgendetwas Unverständliches, räumte aber mit einem Nicken ein, dass sie Recht hatte. Er starrte nach Südwesten hinaus und folgte mit dem Blick der Linie der Dammstraße, die nach Riva zurückführte. »Meine Stadt erobert. Meine Leute auf der Flucht. Sie sterben. Verhungern.« Er sah auf seine Rüstung hinab, auf das Schwert an seinem Gürtel und berührte es zögerlich. Als er wieder sprach, klang er wie ein sehr müder Mann. »Alles, was ich je für meine Ländereien wollte, waren Gerechtigkeit, Wohlstand und Frieden. Ich bin kein großer Soldat. Ich bin ein Baumeister, Gräfin. Ich war zufrieden damit, dass viele Menschen durchs Land zogen, um Handel zu treiben. Ich war zufrieden mit der vielen guten Arbeit, die du und dein Mann in Calderon geleistet hattet. Handelszuwächse. Der Aufbau freundschaftlicher Beziehungen zu den Marat.« Er sah sie milde an. »Ich dachte, dass ihr das Geld, das ihr eingenommen hattet, bis auf die Steuern gespart hättet. Oder es vielleicht angelegt hättet.«
»Oh, wir haben es angelegt, mein Fürst«, sagte Amara und lächelte matt. »Für diesen Morgen.«
Riva schürzte die Lippen und nickte. »Ich nehme an, dem kann ich kaum widersprechen. Wie habt ihr das alles bewirkt? Wie habt ihr es geheim gehalten?«
»Die Mauern?« Amara zuckte mit den Schultern. »Die meisten Leute, die durchs Tal reisen, verlassen die Dammstraße nicht. Alles, was von der Dammstraße aus nicht zu sehen ist, ist nicht schwer zu verbergen. Was die Mauern angeht, so besteht ein Großteil der Arbeit darin, den Erdboden unter ihnen vorzubereiten. Die richtigen Steine zu sammeln, und so weiter. Wenn das erst geschehen ist, ist die eigentliche Errichtung der Mauern viel einfacher.«
Riva runzelte die Stirn und nickte. »Das stimmt. Also habt ihr im Laufe der Zeit die passenden Steine aufgereiht und sie hochgezogen, als ihr sie gebraucht habt.«
»Ja. Die Dianische Liga hat sich sehr nützlich gemacht und uns geholfen; auch mit einigem anspruchsvolleren Elementarwirken, um die Steine zu bewegen.« Sie wies auf das Land vor ihnen. »Und die Mauern sind natürlich erst der Anfang der Verteidigungsmaßnahmen. Ein Skelett, wenn du verstehst, was ich meine.«
Fürst Riva nickte. »Das ist … alles recht ungewöhnlich.«
»Mein werter Gemahl und sein Neffe stehen darüber seit geraumer Zeit in einem brieflichen Gedankenaustausch. Gaius Octavian hat eine ziemliche ungewöhnliche Art zu denken.«
»Zu dem Schluss bin ich auch gekommen«, sagte Riva. Er sah zu Bernard hinüber und sagte: »Ich muss zugeben, dass er meiner Meinung nach wohl der Richtige ist, um die Verteidigung hier zu leiten. Er kennt sie schließlich besser als irgendjemand sonst im Reich.«
»Ja, das tut er«, sagte Amara.
»Wirklich ein recht bemerkenswerter Man. Weißt du, er hat kein einziges Mal gesagt: ›Das habe ich dir ja gleich gesagt.‹«
»Er ist niemand, der so etwas für wichtig hält«, sagte Amara lächelnd. »Aber, gnädiger Fürst … Er hat es dir gleich gesagt.«
Fürst Riva blinzelte sie an und lachte dann reumütig auf. »Ja. Das hat er, nicht wahr?«
»Reiter!«, rief ein Ausguck an der Ecke des Turms und deutete mit der Hand.
Die aleranischen Vorposten, die das Vorrücken der Vord beobachtet hatten, tauchten auf einer fernen Hügelkuppe auf und ritten ihre Pferde schnell den Abhang hinab und auf die offene Ebene. Vordritter schwärmten über ihnen wie Nachtinsekten um eine Elementarlampe und stürzten sich herab, um zuzuschlagen und zuzustoßen, während Pfeile von den
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