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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Isana.
    Einen Moment lang dachte sie, die Königin würde nicht antworten. Als sie schließlich sprach, war ihre Stimme ganz klein: »Weil ich verändert worden bin. Weil ich nicht auf die Art handle, wie ihre Instinkte ihnen sagen, dass ich es tun sollte.«
    Eine langsame Welle aus Trauer und aufrichtigem Schmerz brach aus der Vordkönigin hervor. Isana musste kämpfen, um sich ins Gedächtnis zu rufen, dass diese Kreatur Tod und Zerstörung über Carna gebracht hatte.
    »Deshalb hast du Canea verlassen und bist hiergeblieben«, sagte Isana plötzlich. »Die jüngeren Königinnen haben sich gegen dich gewandt, also bist du ihnen entflohen.«
    Als sie sich neben das Becken setzte, zog die Königin die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. »Ich bin ihnen nicht entflohen«, antwortete sie. »Ich habe den Zusammenstoß nur hinausgezögert.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Isana.
    »Der Kontinent jenseits des Meeres, den man Canea nennt, ist überrannt worden«, sagte die Königin leise und monoton. »Aber es wird Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte dauern, bis meine Kinder ihr neues Revier gesichert und ganz ausgeschöpft haben – um es unangreifbar zu machen. Wenn das geschehen ist und sie eine sichere Ausgangsbasis haben, werden sie herkommen, um mich und alles, was ich geschaffen habe, zu vernichten. Ihre Kräfte sind schon ein gutes Stück über meine hinausgewachsen.« Die Königin richtete den Blick auf Isana. »Deswegen bin ich hier. Deswegen muss ich euch vernichten. Ich muss meine eigene Festung schaffen, wenn ich überleben will. Auch das ist eine Aufgabe, die viele Jahre erfordert.« Sie ließ das Kinn auf den Knien ruhen, schloss die Augen und flüsterte: »Ich möchte leben. Ich möchte, dass meine Kinder leben.«
    Isana starrte auf dieses monströse Kind hinab, fühlte die Mischung aus aufrichtiger Trauer und Angst im Innern der Vordkönigin und kämpfte gegen eine Welle des Mitleids an. Sie war nichts Geringeres als ein Ungeheuer – auch wenn sie vielleicht noch mehr war.
    Die Königin wiegte sich vor und zurück, in winzigen, verzweifelten Bewegungen. »Ich möchte leben, Isana. Ich möchte, dass meine Kinder leben.«
    Isana seufzte und wandte sich ab, um an ihren Platz neben Araris zurückzukehren. »Wer möchte das nicht, Kind«, murmelte sie. »Wer möchte das nicht.«

35

    Von Beginn des Vordkriegs an hatte der Feind immer wieder Stellungen angegriffen, die nicht gegen eine Bedrohung von dem Ausmaß zu verteidigen waren, wie sie die Vord darstellten. Trotz der verzweifelten Versuche, Alera vor dem zu warnen, was kommen würde, hatte niemand darauf gehört, und infolgedessen hatten die Vord die Aleraner aus ihren Festungen und Städten vertrieben. Wieder und wieder hatten das blitzschnelle Vorrücken der Vord und die unmenschlichen Taktiken, die sie anwandten, die unzureichend vorbereiteten Verteidiger überrumpelt. Wieder und wieder war der Tag in einer Welt heraufgedämmert, die immer gründlicher von den Invasoren beherrscht wurde – aber diese Morgendämmerung war anders.
    Das Calderon-Tal war kampfbereit.
    »Irgendwo da muss eine Delle sein«, knurrte Antillus Raucus und schlug mit einer Pranke auf die verzierte Lorica, die seine rechte Schulter bedeckte. »Sie bewegt sich nicht richtig.«
    »Du bildest dir etwas ein«, antwortete der Hohe Fürst Phrygius. »Da ist keine verdammte Delle.«
    »Ja«, sagte der Hohe Fürst Placida in geduldigem Ton. »Du hast darin geschlafen, und dafür bist du mittlerweile eben zu alt, Raucus. Du hast dir wahrscheinlich das Schultergelenk verletzt.«
    »Ich bin noch nicht zu alt, um deinen dämlichen Arsch geradewegs von der Mauer zu werfen«, blaffte Raucus zurück. »Dann werden wir ja sehen, wer sich hier ein Gelenk verletzt.«
    »Jungs, Jungs«, sagte Placidus Aria. »Bitte seid den anderen Kindern kein schlechtes Vorbild.«
    Ehren, der ein gutes Stück hinter den Hohen Fürsten stand, war zu reserviert, um sich ein Lächeln zu erlauben. Aber er wippte in stummer Heiterkeit auf den Fersen vor und zurück, bevor er den Kopf wandte, um Amara zuzuzwinkern.
    Sie rollte zur Antwort mit den Augen und trat vor, um sich neben Fürstin Placida zu stellen. Sie starrten auf die weite, offene Ebene hinaus, die sich vor der Mündung des Calderon-Tals wellte, ein Meer aus sanft ansteigendem und abfallendem Grün. Die Sonne war aufgegangen und stand strahlend am Himmel, der Tag war schön. Krähen kreisten schon seit Tagen über ihnen, erst Dutzende, dann

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