Codex Alera 06: Der erste Fürst
Augen wieder. »Ende des Berichts.«
Tavi versuchte, den jungen Mann dazu zu bringen, die Augen wieder zu öffnen, aber er war einfach nicht zu wecken. Er ließ sich erschöpft in die Wanne zurücksinken.
»Er ist sehr müde«, sagte eine leise Stimme. »Es ist besser, wenn du zulässt, dass er sich ausruht, Majestät. Der Angriff auf das Kommandozelt ist zurückgeschlagen worden, und die meisten Angreifer sind getötet worden. Wir haben zweiundzwanzig Mann verloren, allesamt Wachtposten, die um das Kommandozelt herum aufgestellt waren.«
Tavi schaute auf und sah, dass Dorotea still auf einem Klappstuhl in der Nähe des Zelteingangs saß. Sie sah fürchterlich aus, die Augen eingefallen, die Wangen blutleer. Der Ring um ihren Hals spiegelte das gedämpfte Licht der Lampe mit einem stummen, bösartigen Funkeln wider. Sie hielt eine Decke um sich geschlungen, obwohl die Nacht nicht kalt war.
»Hoheit«, verbesserte er sie sanft. »Ich bin noch nicht Erster Fürst.«
Die Sklavin lächelte müde. »Du hast es gerade mit dem Albtraum unserer Zeit aufgenommen, junger Mann. Du hast dein Leben für eine Sklavin aufs Spiel gesetzt, die einst versucht hat, dich zu ermorden. Danke, Majestät.«
»Wenn du einem Helden danken willst, dann danke Foss«, sagte Tavi müde. »Er ist derjenige, der dich gerettet hat.«
»Mein Dank wird ihm jetzt nichts mehr bedeuten«, sagte sie leise. »Ich hoffe, seine Ruhe ist friedvoll.«
Tavi setzte sich langsam auf. »Wo ist Kitai?«
»Sie schläft«, sagte Dorotea. »Sie war erschöpft.«
»Was ist geschehen, nachdem ich ohnmächtig geworden war?«
Die Sklavin lächelte schwach. »Mehrere von uns waren bewusstlos und lagen im Sterben. Du. Ich. Maximus. Crassus. Sie war selbst nicht in guter Verfassung und hatte nicht mehr die Kraft, eine Heilung bei mehr als einer Person zu versuchen. Sie musste sich entscheiden, wen sie retten sollte.«
Tavi holte langsam Atem. »Aha. Und sie hat sich für dich entschieden. Jemanden, der die weniger erfahrenen Heiler anleiten konnte.«
Dorotea neigte den Kopf leicht, als hätte sie Angst, dass etwas daraus hervorpurzeln könnte, wenn sie ihn zu weit senkte. »Unsere erfahrenen Leute waren alle bei einer Beratung, als …« Sie schauderte. »Als du uns gesehen hast. Kitais Entscheidung war angesichts der Umstände bemerkenswert vernünftig. Gefühle pflegen die Oberhand über die Vernunft zu gewinnen, wenn man Schmerzen leidet und Angst um einen anderen hat. Und ihre Gefühle für dich sind verstörend intensiv. Sie hätte sich leicht von ihnen beherrschen lassen können. Und mein Sohn, dein Freund Maximus und ich wären alle gestorben.«
»Sie hat die richtige Entscheidung gefällt«, sagte Tavi. Er sah Max und Crassus an. »Wie geht es ihnen?«
Dorotea zog sich die Decke enger um die Schultern. »Ich nehme an, du weißt, dass Wasserwirken einen Patienten nicht einfach wieder heil macht. Es greift auf die Selbstheilungskräfte des Körpers zurück, um wiederherzustellen, was beschädigt worden ist.«
»Natürlich«, sagte Tavi.
»Es gibt Grenzen. Und … und mein Crassus hatte so viele Verletzungen. Gebrochene Knochen. Zerfetzte Organe.« Sie biss sich auf die Lippen und schloss die Augen. »Ich habe getan, was ich konnte, alles , aber es gibt Grenzen dessen, was ausgebessert werden kann. Der Körper kann nur in einem gewissen Maße eine Selbstheilung vornehmen …« Sie erschauerte und zitterte mehrere Sekunden lang. Dann schien Dorotea die Fassung wiederzuerlangen, hob das Gesicht und wischte sich rasch die Tränen von den Wangen. Ihre Stimme war unsicher, aber sie bemühte sich, eine knappe, fachmännische Beschreibung zu liefern. »Crassus’ Verletzungen waren ausgedehnt und schwer. Ich habe so viele Schäden behoben, dass sie sein Leben wahrscheinlich nicht verkürzen. Sofern sich nichts entzündet – was immer eine akute Gefahr darstellt, wenn ein Körper so schwer belastet ist –, kann er vielleicht wieder gehen. Irgendwann. Aber seine Tage als Tribun sind vorbei.«
Tavi schluckte und nickte. »Maximus?«
»Die Vordkönigin hat ihn am Kopf getroffen, nicht an irgendeiner lebenswichtigen Stelle«, sagte Dorotea müde, mit beinahe liebevoller Gereiztheit. »Es geht ihm gut. Das wird es zumindest, wenn er aufwacht. Es könnte allerdings eine Weile dauern.«
»Wie geht es mir?«, fragte Tavi.
»Es hatte Priorität, deine Einsatzfähigkeit vollständig wiederherzustellen«, sagte sie. »Die eigentliche Wunde war nicht schwer. Die
Weitere Kostenlose Bücher