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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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einfach da. Sollten es doch die Krähen holen! Das hier hatte er nie gewollt. Und doch war es solch eine kleine Sorge unter so vielen anderen gewesen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er kaum daran gedacht. Und jetzt hatte ihn eine Lüge, bei der er das Gefühl gehabt hatte, keine andere Wahl zu haben, als sie zu erzählen, vielleicht die Zuneigung und den Respekt eines Freundes gekostet.
    »Solch eine kleine Angelegenheit für einen Mann mit deinen Schwierigkeiten«, sagte Alera gedämpft.
    Tavi schaute auf und sah die große Elementarin erscheinen, wie sie es gewöhnlich tat, aber diesmal zugleich in einen nebelgrauen Kapuzenumhang gehüllt, der alles bis auf ihr Gesicht verdeckte. Ihre Edelsteinaugen waren ruhig und mild erheitert.
    »Ich habe nicht so viele Freunde, dass ich es ganz unbesorgt hinnehmen könnte, einen zu verlieren«, sagte Tavi leise. Er sah Max an, der still und stumm in seiner Wanne lag. »Oder mehr als einen.«
    Alera musterte ihn unverwandt.
    »Ich habe Foss sterben sehen. Ich habe gesehen, was geschehen würde – Sekunden bevor es geschah –, und ich war einfach nicht schnell genug. Ich konnte die Königin nicht aufhalten. Er ist gestorben. Sie hat so viele Menschen getötet. Und sie sind für nichts und wieder nichts gestorben. Sie ist entkommen. Ich habe an ihnen versagt.«
    »Sie ist äußerst furchteinflößend. Das wusstest du.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Tavi, ohne die Stimme zu heben, die gleichwohl einen härteren Tonfall annahm. »Es war meine Verantwortung. Meine Pflicht. Ich weiß, dass nicht jeder einen Krieg überlebt, aber, bei den Elementaren, ich werde nicht zulassen, dass meine Männer ihr Leben für nichts hingeben.« Ihm schnürte sich die Kehle zu, und er senkte den Kopf. »Ich … ich frage mich … Ich frage mich, ob ich der richtige Mann für diese Aufgabe bin. Wenn ich … Wenn ich mehr gelernt hätte, wenn ich mehr Zeit bekommen hätte, um zu üben, wenn ich angestrengter geübt hätte …«
    »Du fragst dich, ob das einen Unterschied gemacht hätte«, sagte Alera.
    »Ja.«
    Sie dachte ernst über die Frage nach. Dann setzte sie sich auf den Boden neben dem Hocker und zog die Beine unter sich. »Es gibt keine Möglichkeit, sich über Dinge Gewissheit zu verschaffen, die nie geschehen sind.«
    »Ich weiß.«
    »Du stimmst mir zu. Aber du empfindest immer noch dasselbe.«
    Tavi nickte. Sie schwiegen beide für eine Weile.
    »Gute Menschen«, sagte sie leise, »müssen so empfinden wie du. Sonst sind sie keine guten Menschen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Alera lächelte. »Ein guter Mensch muss schon fast per definitionem alle Entscheidungen, die er trifft, infrage stellen, wenn sie solch schreckliche Folgen für andere nach sich ziehen. Besonders, wenn diese anderen ihm vertraut haben. Würdest du mir zustimmen?«
    »Ja.«
    »Würdest du auch zustimmen, dass du fehlbar bist?«
    »Ich habe den Eindruck, das ist ganz offenkundig.«
    »Würdest du auch zustimmen, dass die Welt ein gefährlicher, ungerechter Ort ist?«
    »Natürlich.«
    »Siehst du, da hast du es«, sagte Alera. »Irgendjemand muss den Befehl führen. Aber niemand, der es tut, ist vollkommen. Deshalb wird er auch Fehler begehen. Und da die Welt gefährlich und ungerecht ist, ist es unumgänglich, dass manche dieser Fehler Folgen wie die heutigen haben.«
    »Ich kann deiner Argumentation kaum widersprechen«, sagte Tavi leise. »Aber ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Das ist doch ganz offensichtlich, junger Gaius«, sagte Alera und lächelte, so dass sich Fältchen in ihren Augenwinkeln bildeten. »Die Logik ist unwiderlegbar: Du bist ein guter Mensch.«
    Tavi zog die Augenbrauen hoch. »Was hat das denn mit allem anderen zu tun?«
    »Meiner Erfahrung nach?«, fragte sie. »Sehr viel. Vielleicht wird Kitai es dir nachher erklären.«
    Tavi schüttelte den Kopf. »Hast du den Kampf gesehen?«
    »Natürlich.«
    »Ist die Königin so stark, wie du dachtest?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Oh?«
    »Sie ist stärker«, sagte die große Elementarin ruhig. »Und sie macht ihre Sache beinahe so gut wie du. Irgendjemand hat ihr Unterricht erteilt.«
    Tavi nickte betrübt. »Das ist mir auch aufgefallen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich … Ich kann nicht glauben, dass irgendetwas so stark sein kann. So schnell.«
    »Ja«, sagte Alera. »Davor habe ich dich doch gewarnt.«
    »Dann verstehst du, warum ich meinen Platz hier infrage stellen muss«, sagte Tavi, ohne die Stimme zu heben.

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