Codex Alera 06: Der erste Fürst
weiteres Signal hin zum Angriff, und die aleranische und canische Kavallerie stürzte sich brüllend auf den Wehrhof, während die Infanterie im Laufschritt folgte.
»Gut!«, sagte Tavi. »Los!« Er beschwor seinen Windstrom und hob ab. Er war dabei ungeschickter als die meisten Ritter Aeris hier, aber wenigstens gelang es ihm, ohne sich zu verletzen oder den Bemühungen des Mannes neben ihm in die Quere zu kommen. Kitai ging links von ihm in Position, während Ritter Callum rechts von ihm flog und die anderen Ritter Aeris sich hinter ihm zu einer Keilformation auffächerten.
Tavi führte sie an, und bald flogen sie über die aleranische Infanterie hinweg, die langsamste Truppe auf dem Schlachtfeld. Ihr Bestimmungsort war der zerstörte Wehrhof selbst, das nächstgelegene Ziel, während ihre Canimgefährten, die zu Fuß viel schneller waren, den Wehrhof östlich umrundeten, um die Felder voller schlafender Vord anzugreifen.
Auf der anderen Seite befand sich die Kavallerie der Canim wie der Aleraner. Die Taurga wogen mindestens doppelt so viel wie ein Pferd und konnten keines überholen. Als Tavi angeflogen kam, begannen gerade die ersten aleranischen Kavalleristen ihren Weg durch das Vordfeld und senkten die Säbel, um sie nach rechts und links sausen zu lassen, mit beinahe denselben Bewegungen wie bei ihren Übungsmanövern. Sie rasten die Reihen im Winterschlaf befindlicher Vord entlang und richteten Verwüstung an. Fast achthundert Reiter, die im gestreckten Galopp über das Feld preschten, schlugen den Vord fürchterliche Wunden.
Aber sie konnten den langsameren Taurga nicht das Wasser reichen.
Die Canimtiere waren schon einzeln äußerst kraftvoll – größer und stärker als jedes andere Tier, das Tavi kannte, Garganten ausgenommen. Aber die Taurga waren Allesfresser von bösartigem Gemüt. Selbst wenn ihre Reiter sie nicht dazu gedrängt hätten, hätten sie die Vord rechts und links zerschmettert, als sie zwischen ihnen hindurchrannten, während die shuaranischen Canimkrieger auf dem Rücken der Tiere lässig wirkende Schläge mit langstieligen Äxten führten, die einfach durch alles hindurchschnitten, was sie trafen. Sie richteten vier- oder fünfmal so viel Schaden an wie die aleranische Kavallerie, was nur verständlich war, da beinahe fünftausend der verdammten Biester hier versammelt waren.
Schreie begannen hier und da zu ertönen, das warnende Trillern von Wachsspinnen, die erkannt hatten, dass etwas nicht stimmte. Die Fangschreckenkrieger auf dem Wehrhof – mindestens ein paar hundert – begannen umherzuhuschen, als die Schlachtreihen der aleranischen Legionen sich dem Hof näherten.
Dann erhob sich eine einzelne fremdartige Stimme über dem Kampflärm, ein Kreischen, das einem die Knochen zu Eis erstarren ließ und bei dem Tavi bis ins Innerste fror. Eine Sekunde lang kam es ihm vor, als ob er einfach vergessen hätte, wie das Denken ging – so als wären kultivierte Spielereien wie Logik und die Fähigkeit, Worte zu formen, zu einer toten Last geworden, die er abwerfen musste. Sein Flug kam etwas aus dem Takt.
Neben und unter sich sah Tavi genau dieselbe Reaktion beim ganzen Heer, bei Aleranern, Canim und ihren Tieren gleichermaßen – plötzliches Zögern, ein Aufblitzen von Panik, wild rollende Augen. Sogar Kitai erschauerte. Schlimmer noch, die schlafenden Vord schienen die Stimme gehört zu haben und darauf zu reagieren. Die Fangschreckenkrieger begannen sich zu regen.
Tavi hatte solche Schreie schon früher gehört und wusste, was sie zu bedeuten hatten: Die Vordkönigin war auf dem Schlachtfeld erschienen.
»Sieh doch!«, zischte Kitai und zeigte in eine Richtung. »Da fliegt sie!«
Eine schattenhafte Gestalt, die hinter einem windgewirkten Schleier kaum zu sehen war, brach durch die dicke Steinmauer der Scheune, als bestünde diese aus verfaultem Holz. Sie schoss nah über dem Boden dahin und war nur aufgrund der Verwirbelung sichtbar, die ihr heftiger Windstrom von der Erde hochsog. Als sie über die schlafenden Vord hinwegflog, schrie sie erneut, und mehr der Krieger begannen sich zu regen.
Der aleranische Befehlsstab ließ Trompetensignale geben, aber nicht etwa, um die Schlachtreihen neu zu formieren oder zum Rückzug zu blasen. Die Trompeten schmetterten in schierer, deutlicher Herausforderung des schlafenden Schwarms: Angriff, Angriff, Angriff.
»Fliegt hoch!«, knurrte Tavi und setzte selbst der Königin nach. Er sauste im Sturzflug nach unten, um Schwung zu
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