Codex Alera 06: Der erste Fürst
setzten ihren Mantel in beiden Farben in Flammen. Ihre Klinge schlug nach Tavis Hals, aber sein Schwert parierte den Hieb sauber. Eine rote, blaue und vordgrüne Explosion von Funken vom Umfang eines städtischen Marktplatzes stob von dem Zusammenprall auf, und die Vordkönigin kreischte vor zorniger Enttäuschung, als sie an ihm vorbeisauste und sofort beidrehte, um sich wieder auf ihn zu stürzen.
Von irgendwo unter sich hörte Tavi das seltsame, durchdringende Heulen eines Cane, und der Blutstein in seiner Tasche fühlte sich plötzlich beinahe warm genug an, um seine Haut Brandblasen schlagen zu lassen. Marok hatte sein Signal gehört.
Der Nebel ringsum verdichtete sich und gerann. Dunkle Schemen regten sich darin. Lange, gewundene Tentakel aus rötlichem Fleisch peitschten aus einem Dutzend verschiedener Richtungen hervor, und Tavi sackte das Herz in die Hosen. Nicht weniger als drei der canimbeschworenen Schreckensgestalten waren rings um ihn erschienen, und ihre suchenden Tentakel schlängelten sich auf ihn zu. Schleim troff von diesen seltsamen Gliedmaßen, der tödlich säurehaltig und hochgiftig war. Tavi ertappte sich dabei, wie er den Atem anhielt, als die Tentakel mehrere endlose Sekunden lang um ihn herumtasteten … und sich dann schlagartig zurückzogen. Die schützende Kraft des Blutsteintalismans, den er bei sich trug, hatte ausgereicht, um die Bestien zu verscheuchen – oder sie zumindest andere Beute suchen zu lassen.
Auf die Vordkönigin hatte sich ein Dutzend von den Dingern gestürzt.
Tentakel peitschten auf sie ein, schlugen wild um sich und griffen nach ihr. Sie entging den meisten von ihnen, aber nicht allen, und sie kreischte vor Schmerz und Wut, als ein halbes Dutzend triefender Gliedmaßen leichte Verbrennungen auf ihrer anscheinend doch verletzlichen Haut hinterließ. Die Königin drehte sich wild auf der Stelle, und ihr Schwert ging in Flammen auf, als sie begann, sich einen Weg zwischen den Nebelbestien freizuhauen.
Tavi gab ihr jedoch keine Gelegenheit, sich loszumachen. Er richtete seine Konzentration auf sie aus und wirkte die heißeste und kraftvollste Feuerkugel, an der er sich je versucht hatte. Sie explodierte in einem grellen Lichtblitz und mit einem ohrenbetäubenden Donnergrollen auf der Vordkönigin.
Tavi versuchte nicht, sich an die Spielregeln eines Duells zu halten. Er musste gewiss niemandem etwas beweisen, und er hatte zu viele Schlachten erlebt, als dass er noch die Illusion gehabt hätte, dass in solchen Momenten ehrenhaft gekämpft wurde. Was ihn betraf, würde er nie wieder einen ehrlichen Kampf ausfechten.
Also schoss er eine weitere Feuerkugel auf die Vordkönigin ab. Und noch eine , so schnell er sie nur werfen konnte. Der Klang ihres zornigen Geschreis bildete eine Melodie zum brutalen Trommeln des Feuerwirkens.
Er hatte sie vielleicht drei oder vier Sekunden lang in der Falle – aber das würde nicht so bleiben. Sein Feuerwirken versengte die Königin zwar, aber es wirkte sich auch vernichtend auf die Nebelbestien aus und verbrannte die Tentakel, die die Königin festhielten. Sobald sie von ihnen befreit war, brach die Königin ihr Windwirken ab und stürzte in den Nebel. Tavi erhaschte einen kurzen Blick auf einen nackten Körper, der halb von schwarzen Brandspuren bedeckt war, wie ein Fleischstück, das man zu lange über dem Feuer gelassen hatte. Das weiße Haar war verbrannt. Dann verschwand sie. Tavi wendete und schoss ihr nach. Er konnte es sich nicht leisten, sie entkommen zu lassen.
Feuer stieg von nirgendwo auf, als er sich herabstürzte, und ihm wurde schlagartig bewusst, dass die Königin sich verschleiert und ihren Sturz abgebremst hatte. Er hob das Schwert, als die Flammen ihn einhüllten, zog die Hitze in die Klinge, von seinem Fleisch fort, und entzündete das Schwert wieder. Dann raste die Königin neben ihm im Sturzflug nach unten, eine halb hinter einem Schleier verborgene Erscheinung, an der nur das grüne Feuer des Schwerts so recht zu sehen war. Ihre Waffen blitzten und klirrten ein Dutzend Mal aufeinander, und plötzlich sauste der Erdboden auf sie zu.
Tavi zog als Erster wieder hoch und hatte eine Sekunde lang große Angst, dass er schon zu nahe am Boden war, um zu wenden, aber es gelang ihm, seine Bewegung unmittelbar über einem freien Stück Feld von der Senkrechten in die Waagerechte zu verlagern. Hohe Unkräuter und Reste des Farns vom Vorjahr schrammten zischend über seine Rüstung, und als er einen Blick über die
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