Codex Alera 06: Der erste Fürst
Schulter warf, sah er, dass die Vordkönigin ihn verfolgte. Anscheinend hatte der Schaden, den ihr Fleisch gelitten hatte, sie kein bisschen langsamer gemacht.
Bei den Krähen. Er war sich sicher gewesen, dass die Königin in einem schlimmeren Zustand sein würde, nachdem sie es mit den Schoßungeheuern der Canim zu tun gehabt hatte. Doch es musste sie geschwächt haben. Sie holte bei weitem nicht so schnell zu ihm auf, wie er erwartet hatte.
Wie oft in seinem Leben war er schon vor jemandem geflohen, der viel stärker war als er, und hatte gewusst, dass nur sein Verstand ihn retten würde? Schon als kleiner Junge im Tal, der es nie geschafft hatte, sich im Hintergrund zu halten, war es ihm oft mit seinen Spielgefährten so ergangen. Aber er hatte es auch mit Thanadenten und Schneekatzen zu tun bekommen – bei den Krähen, sogar die verdammten Schafe waren ein ganzes Stück größer und stärker gewesen als er, und die Böcke der Herden hatten ihn oft auf Bäume gejagt. Und das alles, bevor er das Calderon-Tal verlassen hatte.
Plötzlich bemerkte er, dass er grinste.
Obwohl Sorge, Angst und Zorn ihm die Eingeweide versengten, lächelte Gaius Octavian.
Das hier war ein Spiel, auf das er sich verstand.
Abrupt änderte er die Richtung und schoss senkrecht nach oben in die Luft. Die Königin verfolgte ihn. Ihr Windstrom war ein heulendes, wirbelsturmartiges Tosen.
Tavi brauchte nur einen Moment, um aus dem Nebel der Ritualisten hervorzukommen, und als er daraus aufstieg, sah er die Sonne rot am östlichen Horizont unter einem dicht bewölkten Himmel aufgehen und das Calderon-Tal in die Farben von Blut tauchen. Zu seiner Rechten war die Canimkavallerie damit beschäftigt, die schlafenden Vord massenhaft abzuschlachten, wohingegen Varg und die Infanterie schnell auf die gewaltige Nebelbank zuliefen, in der die beiden Legionen verborgen waren. Erwachte Vord liefen zu Tausenden Amok, und die vergleichsweise kleine aleranische Kavallerieeinheit griff jede Vordgruppe an, von der sie annahm, dass sie der Caniminfanterie auf dem Marsch in die Flanke fallen könnte. Der Schlachtenlärm und das hohle Dröhnen mittelgroßer Feuerkugeln tönten seltsam gedämpft durch den Nebel zu ihm herauf.
Die Königin kam nach mehreren Sekunden unter ihm hervor. Der ungeschwärzte Teil ihres Körpers wies frische Säurespuren mit dunklen Rändern auf, und ihre Geschwindigkeit schien sich noch mehr verringert zu haben, aber ihre Augen funkelten kalt und waren auf Tavi allein gerichtet.
Tavi spürte, wie das Grinsen sich weiter auf seinem Gesicht ausbreitete. »In Ordnung. Wenn du das Calderon-Tal wirklich unbedingt haben willst, ist es das Mindeste, dass ich einen Rundgang mit dir mache.«
Er richtete all seine Aufmerksamkeit und seinen Willen auf seinen Windstrom und schoss nach Nordwesten davon, auf den gewitterwolkenverhangenen Gipfel des Garados zu.
55
Fidelias mühte sich ab, einen Anflug von Ordnung ins Chaos der Schlacht zu bringen. Gewiss, Schlachten waren nie wohlgeordnet, sauber oder leicht zu beherrschen – aber die hier war noch schlimmer als die meisten anderen.
Da er nur wenige Minuten gehabt hatte, um sich vorzubereiten, und seine Armee in getrennte Einheiten zersplittert war, die jeweils zu klein waren, die Hauptmacht der Vord allein anzugreifen, hatte er das Einzige getan, was er tun konnte. Er hatte die Erste Aleranische Legion aus dem zerstörten Wehrhof marschieren lassen und sie in einer bogenförmigen Linie rund um die Außenmauern aufgestellt, während er den Heilern, ihren Gehilfen und den Verwundeten befohlen hatte, sich in die relative Sicherheit der großen Halle des Wehrhofs zurückzuziehen.
Er hatte die Freien Aleraner in der Absicht an den Flanken des Wehrhofs aufgestellt, seine kampferprobten Truppen das Schlimmste des kommenden Angriffs auffangen zu lassen, während die weniger erfahrenen Freien sich um Nachzügler und kleinere Vorstöße der Feinde kümmerten. Während er diese Befehle geschrien, seine Legionares in Stellung gebracht und dabei manchmal mit den Fäusten statt mit dem Stab um sich geschlagen hatte, waren die Windwölfe gleichmütig mit ihren Windkutschen gelandet, als wäre dies einfach ein Tag wie jeder andere in Alera Imperia.
Fidelias schickte Aldrick ex Gladius zum Nest und überließ es ihm, die Erste Fürstin und ihre Begleiter aus dem Schlamassel herauszuholen, bevor die Vord sie am Stück verschlangen. Er war gerade erst auf seinen behelfsmäßigen Kommandoposten auf dem
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